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Blutrotes Wasser

Blutrotes Wasser

Titel: Blutrotes Wasser Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jonas Torsten Krueger
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diesmal mit beiden Händen die Richtung an. In einer von ihnen hielt sie einen kleinen Blumenstrauß.
    Lena schwindelte. In der letzten Zeit wurde ihr echt ein bisschen zu viel zugemutet. Erst ihr Nahtod-Erlebnis in den Unterwasserhöhlen, dann klaute irgendein Idiot ihren Rucksack. Und jetzt auch noch Rentnertag in Budapest: der Geiger Rutschek und nun diese Oma mit Kopftuch, schwarzem Trachtenrock aus dem letzten Jahrhundert und einem Blumenstrauß in der Hand. Lena stöhnte auf – diese Stadt machte sie noch verrückt. Das alles war so unwirklich. Als wäre sie in einer Geschichte gelandet, mehr noch, in einem alten Märchen.
    Aber schließlich folgte sie doch dem zitternden, ausgestreckten Arm der Frau und tappte in den Hofeingang.
    Was blieb ihr sonst auch übrig?
    Weit musste sie nicht humpeln: Schon nach wenigen Metern erkannte sie zwei Gestalten, die sich auf dem Boden wälzten wie wütende Katzen. Einer von ihnen trug Heavy-Metal auf seinem T-Shirt und steckte grade einen mächtigen Schlag aufs Auge ein. Brüllend rollte er sich herum und setzte zum Gegenangriff an, donnerte dem anderen seine Rechte in den Magen und kniete sich auf ihn.
    Typen, dachte Lena, die sich vorkam wie bei einer Prügelei auf dem Schulhof. Andererseits: Wirklich wie im Märchen kämpfte da ein Prinz für sie. Wenn auch nicht um ihre Ehre oder gegen einen Drachen, sondern nur um Lenas alten Rucksack. Aber immerhin. Doch länger konnte sie nicht zusehen: »Aufhören«, brüllte sie und machte einen schmerzhaften Schritt vorwärts in den Hinterhof hinein. Verdammter Knöchel!
    »Hört auf!«
    Ihr Prinz in Heavy-Metal-Rüstung schaute auf, riss seinem Gegner endlich den Rucksack aus den Klauen und taumelte hoch. Der andere zeigte zumindest einen Rest Intelligenz: Er gab die Schlacht verloren, rappelte sich auf und flitzte davon.
    Keuchend machte ihr Held ein paar Schritte auf sie zu, grinste dann und hielt Lenas Rucksack wie eine Trophäe in ihre Richtung.
    »Na, vielen Dank auch«, murmelte sie und schlurfte ebenfalls vorwärts.
    »Es war mir eine herzerwärmende Ehre, Gnädigste«, sagte der Typ in akzentreichem, aber ansonsten makellosem Deutsch.
    Verrückt.
    Lena klappte der Mund auf – wie ein Karpfen schnappte sie nach Luft. Märchenhaft, in der Tat. Ungläubig musterte sie den Typen: Das T-Shirt war am Ärmel eingerissen, die Jeans speckig, die Turnschuhe fransig, ausgelatscht und bestimmt sehr bequem. Ein schöner Prinz hatte sich da für sie in die Schlacht geworfen. Dünn, fast abgemagert war er, ein bisschen älter als Lena vielleicht, aber nicht viel, dunkle Haare und blass wie der Tod. Dazu diese merkwürdigen Augen. Traurig? Nein, nicht nur. Die Dunkelheit darin war mehr als Traurigkeit. Viel mehr.
    Lena machte noch einen Schritt und versuchte zu lächeln. So einfach war das gar nicht, fühlte sie sich doch immer noch wie gefangen in einem Traum. Der Hinterhof lag still und die Wärme staute sich zwischen den alten Hauswänden.
    »Danke«, brachte sie schließlich hervor und grapschte nach ihrem Rucksack, den der Junge immer noch hochhielt.
    »Ich bitte um Verzeihung für das … Ungemach, Gnädigste. Budapest verschreckt seine werten Gäste nur ungern.«
    Verrückt. Wahr und wahrhaftig. Der Typ quatschte wie aus dem 19. Jahrhundert. Vielleicht ein Zeitreisender? Hysterisches Kichern sammelte sich in Lenas Kehle, das sie nur mühsam zurückhalten konnte.
    »Äh, also, noch mal danke. Ich bin Lena.«
    »Sehr erfreut, Gnädigste. Mein Name ist Lázlo.«
    13.05 Uhr, Polizeipräsidium, Teve utca
    »Was ist denn jetzt schon wieder?« Hauptkommissar Frenyczek konnte seinen Unwillen kaum verbergen. Die Ermittlungen zum Gellért-Bad verliefen in Treibsand, die Strömungsanalysen des österreichischen Höhlenforschers brachten nichts und sein Partner kam jeden zweiten Tag mit einer noch hässlicheren Krawatte und genauso hässlichen Hiobsbotschaften ins Büro geplatzt. Tatsächlich winkte er wieder einmal mit einem Nachrichten-Ausdruck.
    »Das kam gerade rein«, murmelte Frenyczeks Partner. Seit Wochen sammelte er die kleinsten Informationsfetzen, die mit dem gefürchteten Terroranschlag in Zusammenhang stehen mochten. Dazu gehörten auch Meldungen, die einfach nur aus dem Rahmen fielen. Eine mysteriöse Detonation im Waldgebiet der Budaer Berge zum Beispiel. Oder eben ein …
    »Einbruch im Parlament.«
    Frenyczek schnellte von seinem Chefsessel hoch. »Was?« Das Parlamentsgebäude war nicht nur Ungarns Regierungssitz, sondern

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