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Blutrotes Wasser

Blutrotes Wasser

Titel: Blutrotes Wasser Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jonas Torsten Krueger
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auch das vielleicht am besten gesicherte Gebäude Budapests. »Nun red schon! Was war?«
    »Das ist ja das Merkwürdige, Chef. Nichts weiter. Der Alarm wurde ausgelöst, die Überwachungskameras filmten alles, die Nachtwächter stürmten los und innerhalb von zehn Minuten stand ein Streifenwagen vor dem Eingang.«
    »Und?«
    »Nichts ›und‹.« Frenyczeks Partner zuckte mit den Schultern. »Die Kerle hatten sich verdrückt. Wenn man sich die Überwachungsvideos so anschaut …«
    Eine lange, fast genüssliche Pause. Frenyczek schoss ein paar Mörderblicke ab und knurrte gefährlich leise: »Was?«
    »Tja.« Sein Partner machte unwillkürlich einen Schritt zurück und nestelte an seinem Schlips herum. »Dann bekommt man fast den Eindruck, als hätten die sich nur mal so … umgeschaut.«
    13.56 Uhr, Café Gerbeaud, Vörösmarty tér
    Das war einfach unglaublich gut. Auf ihrer Zunge explodierte eine nie gekannte Mischung aus Bitterkeit und Süße, ihre Lippen schmeckten etwas unglaublich Weiches, das ihr Herz dazu brachte, einen Gang hochzuschalten. Lenas Augen schlossen sich vor Wonne und ein leises Stöhnen rollte aus ihrer Kehle.
    »Das ist wohl das …. Schokoladigste, das ich je gegessen habe«, schnurrte sie und suchte mit der Kuchengabel die letzten Krümel zusammen.
    »Gerbeaud-Torte«, grinste Lázlo. »Bittere Kuvertüre oben und belgische Schokolade mit kandierten Aprikosen unten. Eine Spezialität des Hauses, meine Teure.«
    Lena blinzelte ihm zu. Nachdem sie ihren Rucksack wieder zurückhatte, wollte sich der Bursche sofort verabschieden, hatte die Rechnung aber ohne Lenas Starrköpfigkeit gemacht. Sie bot ihm ein bisschen Geld an, das er ablehnte, und bombardierte ihn so lange mit Einladungen, bis er schließlich nachgab. Auf ihre Frage, wo man denn hier einen anständigen Kuchen essen könne, hatte Lázlo sie ins Café Gerbeaud geführt, ganz am Ende der Váci utca am Smörrebröd, nein, am Vörösmarty-Platz. Auf seine Empfehlung hatte sie dieses Stück Kuchen und einen Sissi-Kaffee bestellt, an dem sie jetzt mehr oder weniger damenhaft nippte.
    »Huh!«, machte Lena.
    »Der Sissi-Kaffee, Gnädigste: Kaffee, Schlagsahne und Marillenlikör.«
    »Du kannst Deutsch«, fragte Lena und leckte sich den Prinzessin-Sissi-Rest von ihren Lippen, »wirklich nur aus alten Büchern. Goethe, Schiller und so?«
    »Ja«, nickte Lázlo. »Sind so viele Fehler in meinem Sprechen enthalten?«
    Lena kicherte. »Nein. Aber es klingt sehr geschwollen.«
    Fragend schaute er sie an.
    »Gespreizt, altbacken, gekünstelt«, versuchte sie es.
    »Ah!« Lázlos Gesicht hellte sich auf. »Affektiert.«
    »Genau.« Lena seufzte und schüttelte den Kopf. Wie man sich freiwillig mit solchen Wälzern außerhalb der Schule beschäftigen konnte, war ihr ein Rätsel. Wenn sie etwas las, dann nur einen handfesten Thriller.
    »Das … tut mir leid«, sagte Lázlo.
    »Muss es nicht. Ich meine, ich find’s toll.«
    Wieder schien er nicht zu verstehen. »Schön. Wunderbar.«
    »Ah, ja.« Der Junge vor ihr rührte in seiner Kaffeetasse – ganz normaler Kaffee ohne Sahne oder Mirabellenkram – und schaute Lena wieder an. Traurige Augen, ein bleiches Gesicht. Vampirmäßig, dachte Lena und spürte schon wieder so ein dämliches Gelächter in sich aufsteigen. Um sich abzulenken, schaute sie sich um. Das Gerbeaud war nett, ein uraltes Kaffeehaus * , wie sie auch in Wien überlebt hatten, sehr edel und mondän, mit Spiegeln und Stofftapeten an den Wänden, Stuckverzierungen an den Decken und Möbeln wie aus einem Antiquitätengeschäft. So berühmt und süß die Torten auch waren, so gesalzen waren die Preise – wohl der Hauptgrund dafür, dass Lena hier kaum Ungarisch, dafür umso mehr Französisch, Englisch und Niederländisch hörte.
    »Ja«, sagte Lázlo, als hätte er ihre Gedanken erraten, »wir nicht privilegierten Budapester können uns das Gerbeaud nur selten leisten.«
    Lena nickte. Allein wäre ihr merkwürdiger Ritter bestimmt nicht hier aufgelaufen. Wieder musterte sie den schmächtigen Körper, sein bleiches Gesicht und die ungewöhnlich traurigen Augen, von denen das eine sich langsam blau färbte und anschwoll – die Prügelei hatte nicht nur an seinem T-Shirt Spuren hinterlassen. Der sieht gut aus, dachte sie und musste lächeln.
    »Nun denn«, meinte Lázlo und grinste zurück. »Was führt die überaus charmante Lena, gebürtig in Wien, nach Budapest?«
    Verdammt, wenn hier einer charmant war, dann er.
    »Ähm, ich bin mit

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