Blutrubin Trilogie - Band 3: Das Vermächtnis (German Edition)
Stich fuhr mir durchs Herz.
Wir hatten doch noch so viel vorgehabt, und auch wenn ich für immer menschlich bleiben würde, so lägen doch noch einige unvergessliche Jahre vor uns. Wie oft fand man denn schon die Person, die hundertprozentig zu einem passt? Ich würde jetzt meinen Stolz vergessen und Evelyn anbetteln. Vielleicht steckte irgendwo in dieser rücksichtslosen Frau doch ein kleines Stück Mitgefühl.
Doch bevor ich den Mund öffnen und an Evelyns Mitleid appellieren konnte, machte sie einen Satz nach vorn. Ihr rechter Unterarm lag an meiner Kehle und presste mich an den Baum hinter mir. Sie drückte so fest zu, dass ich kaum noch Atem holen konnte. Ich röchelte und versuchte verzweifelt neue Luft in meine Lungen zu saugen. Soviel zu ihrem Mitgefühl.
Während ich dagegen ankämpfte zu ersticken, griff sie nach meiner verletzten Hand und drehte sie so, dass meine Handfläche nach oben zeigte. Der stechende Schmerz, der bei dieser Bewegung durch mein gebrochenes Gelenk fuhr, war unbeschreiblich. Evelyn hob das Messer an meinen Unterarm und schlitzte mir mit einer flüssigen Bewegung die Pulsader auf.
Sofort schoss die warme Flüssigkeit über meine Haut. Evelyn hielt schnell die kleine Plastikflasche darunter, um das Blut darin aufzufangen. Es dauerte nur ein paar Sekunden, bis sie vollständig gefüllt war. Danach ließ sie von mir ab und schraubte lächelnd den Verschluss auf den Flaschenhals.
Ich nutzte die Gelegenheit und presste meine Finger auf die Wunde, aus der fontänenartig das Blut schoss. Doch der Schnitt, den sie mir zugefügt hatte, war so lang, dass es mir nicht gelingen wollte, die ganze Wunde mit meiner Hand zu verschließen. Ich verlor immer mehr Blut.
Eigentlich hatte ich vorgehabt wegzulaufen, wenn sich die Chance bot, doch daran war jetzt nicht mehr zu denken. Ich spürte, wie ich mit jedem Tropfen Blut, auch immer mehr von meiner Kraft verlor.
Als meine Knie weich wurden und meine Beine mich nicht mehr tragen wollten, rutschte ich am Baumstamm hinab, bis ich auf dem Waldboden saß. Mein Blick wurde seltsam verschwommen und zu allem Überfluss wurde mir jetzt auch noch richtig schlecht.
Evelyn hatte unterdessen die kleine Plastikflasche in ihrer Jacke verstaut und ging vor mir in die Hocke. In ihrer Hand hielt sie immer noch das Messer, an dessen Klinge bereits mein Blut klebte.
Sie kniff die Augen zusammen und musterte mich lange, so, als überlege sie, was sie jetzt tun sollte. Sie hatte mein Blut und schien sichtlich zufrieden. Vielleicht war ihr Rachedurst jetzt doch gestillt und sie würde mich am Leben lassen? Das war der einzige Gedanke, an den ich mich noch verzweifelt klammerte.
Ich war mittlerweile so geschwächt, dass ich drei verschwommene Evelyn-Gesichter vor mir sah, die unnatürlich verzerrt wirkten. Plötzlich blitzte etwas in der Dunkelheit auf. Kurz darauf spürte ich, wie sich kalter Stahl in mein Herz bohrte und die Welt kippte zur Seite.
Kapitel 7
Alles um mich herum war finster und doch hörte ich die Stimmen. Je stärker ich mich auf jede Einzelne von ihnen konzentrierte, desto deutlicher und lauter drangen sie an mein Ohr. Vorsichtig öffnete ich die Augen, doch alles blieb dunkel.
Behutsam rappelte ich mich auf und rechnete schon damit, gleich wieder in die Knie zu gehen, doch zu meinem Erstaunen blieb ich stehen. Seltsamerweise verspürte ich keinerlei Schmerzen. Wahrscheinlich hatte mein Körper derart viel Adrenalin produziert, dass ich nicht einmal merken würde, wenn mir ein Bein fehlte.
Ich fuhr über meinen Unterarm, in der Erwartung dort klebriges Blut und eine tiefe Wunde vorzufinden, doch da war nichts. Rein gar nichts, außer gesundem Gewebe. Als ich noch einmal nach dem Schnitt an meiner Pulsader tastete, fuhren meine Finger über glatte, unversehrte Haut. Jetzt war ich wirklich verwirrt.
Zaghaft ließ ich meine Hand kreisen, was mir mühelos und ohne Schmerzen gelang. Das Gelenk war also auch nicht mehr gebrochen. Hatte ich das eben alles nur geträumt? Falls ja, dann war es ein wirklich grausamer und sehr intensiver Traum gewesen.
Ich blinzelte einige Male und ganz langsam erkannte ich um mich herum die Konturen der Bäume. Verständnislos kratzte ich mich am Kopf. Also war es doch kein Traum gewesen, sonst läge ich jetzt in meinem Bett auf Castle Hope und stünde nicht hier im Wald.
Mein Augenlicht kehrte allmählich zurück und nun sah ich James, der, mit dem Rücken zu mir, auf dem Waldboden kniete und
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