Blutrubin Trilogie - Band 3: Das Vermächtnis (German Edition)
Fenster in die Dunkelheit und malte mir die verschiedensten Szenarien aus. Zum einen dachte ich darüber nach, wie es wohl im Jenseits sein würde. Waren dort all die Menschen, die ich im Laufe meines doch recht kurzen Lebens verloren hatte? Und gab es wirklich so etwas wie Himmel und Hölle? Ich hoffte es, denn ich hatte keine Lust den Rest der Ewigkeit mit meiner Adoptivschwester zu verbringen.
Andererseits wäre es mir erheblich lieber, erst gar nicht ins Jenseits übertreten zu müssen. Je mehr ich darüber grübelte, umso entschlossener wurde ich. Es musste uns einfach gelingen, mich und die anderen Geister zu retten. Mit Baobhan Shins wertvollen Informationen schien es doch gar nicht so unmöglich, dass alles gut werden würde, oder? Wenn da nur nicht dieser verflixte Zeitdruck wäre.
Ich betätigte den Fensterheber und genoss die warme Brise, die mir ins Gesicht wehte. Die letzten Tage waren extrem heiß gewesen und die Nächte unangenehm schwül. Eigentlich mochte ich den Sommer, aber im Augenblick wünschte ich mir, es wäre tiefster Winter.
Das hatte nichts mit den Temperaturen zu tun, sondern mehr mit der Tatsache, dass im Winter die Tage viel kürzer und die Nächte dementsprechend länger waren. Momentan mussten meine Vampirfreunde bis zum späten Abend warten, ehe sie das Haus verlassen konnten und sie mussten zusehen, dass sie nach ein paar Stunden wieder einen sicheren Zufluchtsort fanden, denn die Sonne ging sehr früh auf.
Wäre jetzt gerade Winter, hätten sie mehr Stunden der Dunkelheit zur Verfügung, um mir zu helfen. So aber war die Zeit sehr begrenzt, in der sie sich im Freien bewegen konnten. Es schien, als habe sich alles und jeder gegen uns verschworen.
»Es ist zum verrückt werden«, murmelte ich ohne es selbst zu bemerken.
»Was?« James sah mich fragend an.
»Nichts, ich habe nur laut gedacht«, beruhigte ich ihn und deutete auf die Straße, um ihn daran zu erinnern, dass er sich auf das Fahren konzentrieren sollte. James wandte den Blick wieder nach vorn, runzelte aber nachdenklich die Stirn.
Sonntag, 01:40 Uhr. Verbleibende Zeit: 5 Tage, 21 Stunden und 50 Minuten.
Das Arbeitszimmer ähnelte einer U-Bahn Station in der Rush Hour. Gabriela, Sille, Balthasar, Vasili, Pater Finnigan, Henry, Berta, Ian, Emma, James und meine Wenigkeit, hatten sich hier zusammengefunden, um unser weiteres Vorgehen zu erörtern. Der Platz hätte ohne Probleme für unsere kleine Truppe ausgereicht, wären da nicht noch die zwölf ehemaligen Geister gewesen, die Henry vor etwa 30 Minuten materialisiert hatte und die sich jetzt auch noch ins Arbeitszimmer quetschten.
Zu meiner freudigen Überraschung erkannte ich unter ihnen auch einige altbekannte Gesichter. Alister, der keinen Kampf scheute, Charles, der kleine englische Geist oder Bruce, der nicht eine Gelegenheit ausließ, um mich anzugrabschen.
Als hätte er meine Gedanken gelesen, zwinkerte er mir lüstern zu und machte dabei einen spitzen Kussmund. Ich konnte nicht anders, als laut zu lachen und mir wurde schlagartig bewusst, wie sehr ich sie alle vermisst hatte.
Während ich das bunte Treiben im Arbeitszimmer interessiert beobachtete, stellte ich fest, dass ich mich schon lange nicht mehr so wohl gefühlt hatte. Alle meine Freunde waren hier und der Mann, den ich liebte, war an meiner Seite. Fast hätte ich vergessen, dass ich gestorben und nun ein materialisierter Geist war und mir nur noch wenige Tage bleiben würden, um das wieder geradezubiegen.
Ich zuckte erschrocken zusammen, als James laut in die Hände klatschte. Alle im Raum verstummten und sahen ihn erwartungsvoll an. Nur Berta lief unbeirrt im Zimmer umher, ein Tablett mit Blutbeuteln und anderen Getränken in der Hand. Sie genoss es sichtlich, wieder die Rolle der Haushälterin übernommen zu haben.
»Die meisten von euch waren dabei, als wir von Baobhan Shin einige neue Informationen erhalten haben. Die anderen von euch wurden mittlerweile darüber in Kenntnis gesetzt«, begann James und blickte dabei zu den neu materialisierten Geistern, die zustimmend nickten.
»Wir wissen nun also, dass sich der Codex Hostimentum in Canterbury befindet, und müssen so schnell wie möglich dorthin. Da wir aber nicht mehr im Besitz von Blutrubinen sind, die uns vor dem Tageslicht schützen, sind uns Vampiren tagsüber die Hände gebunden. Und da uns nur noch ein paar Stunden bleiben, bis die Sonne aufgeht, haben wir jetzt ein Problem«, stellte er fest.
»Wir könnten doch
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