Blutrubin Trilogie - Band 3: Das Vermächtnis (German Edition)
Vampirgaben entzogen haben«, seufzte sie.
Nur sehr langsam begriff ich, was ihre Worte zu bedeuten hatten. Wenn Baobhan Shin keine Seherin mehr war, dann hatten wir keine Chance Evelyn aufzuhalten, oder mich und die anderen Geister vor dem Jenseits zu bewahren. Resigniert ließ ich die Schultern hängen und schloss die Augen.
Es war vorbei und nichts, was ich tat, würde daran etwas ändern. Wir wussten weder, was mit den fünf Schattenwächtern war, noch wo sich dieser magische Ort befand. Ohne diese Informationen hatte es gar keinen Sinn weiterzumachen. Ich musste mich wohl damit abfinden, dass mir nur noch sechs Tage blieben, bis ich auf immer und ewig verschwinden würde.
Ich öffnete die Augen und reckte entschlossen das Kinn nach vorn. Ich würde die mir verbleibende Zeit nutzen und jeden einzelnen Moment davon genießen, anstatt in Selbstmitleid zu baden. Während ich angestrengt darüber nachdachte, was ich schon immer hatte unternehmen wollen, drang Baobhan Shins Stimme an mein Ohr.
»Vielleicht bedarf es gar keiner seherischen Gabe, um euch weiterzuhelfen«, sagte sie und blickte wissend auf die beiden Kopien in ihrer Hand. Sofort hatte sie die Aufmerksamkeit aller Anwesenden.
»Was willst du uns damit sagen?«, erkundigte sich James. Baobhan Shin faltete die Hände im Schoß zusammen und straffte die Schultern.
»Wie euch sicherlich bekannt sein dürfte, bin ich schon etwas länger auf dieser Welt, als jeder Einzelne von euch. Um es genau zu sagen: Ich bin 1566 Jahre alt. Der Vorteil daran ist, dass ich in dieser Zeit sehr viel Wissen angehäuft habe.« Mein Herz schlug plötzlich wie wild gegen meine Brust. Was meinte sie damit? War es möglich, dass Baobhan Shin uns doch helfen konnte?
Die Seherin, oder besser gesagt, die ehemalige Seherin, machte eine kurze Pause und besah sich für einen Moment ihre perfekt lackierten, roten Fingernägel. Anschließend hob sie den Blick und lächelte.
»Ich habe von dieser Legende gehört und gelesen.« Sie deutete auf die beiden Blätter. »Mir ist die Geschichte der beiden Quellen bekannt und ich glaube jetzt auch zu wissen, wo ihr weitere Informationen darüber finden werdet.« Alle starrten sie erwartungsvoll an. Ich selbst wagte kaum Luft zu holen, so angespannt war ich in diesem Moment.
»Du weißt, wo sich der Felsen der Gerechtigkeit befindet?«, fragte ich verdattert. Baobhan Shin studierte aufmerksam mein Gesicht, bevor sie antwortete.
»Wo sich der magischste aller Orte verbirgt, weiß ich nicht, aber ich kann euch sagen, wo sich der "Codex Hostimentum" befindet.« Mein Herz machte einen Satz. Bevor ich jedoch noch weitere Fragen stellen konnte, kam Balthasar mir zuvor.
»Was ist der Codex Hostimentum?« Die Seherin sah ihn missbilligend an, als könne sie nicht glauben, dass er nicht wusste, worum es sich dabei handelte.
»Der Codex Hostimentum wird auch "Das Buch der Vergeltung" genannt. Es stammt aus der Zeit, als beide Quellen von der Trinität verbannt wurden, und enthält alle wichtigen Informationen um sie von dem Bann zu befreien.«
»Wo ist dieses Buch?«, sprudelte es aus Gabriela heraus. Ihr Tonfall hatte etwas von einem Befehl. Sie bemerkte ihren Fehler sofort und fügte mit sanfter Stimme hinzu:
»Es geht schließlich um Claires und Roberts Zukunft.« Ein lautes Räuspern ertönte. Berta hatte die Arme vor der Brust verschränkt und funkelte Gabriela böse an. Diese schien erst nicht zu verstehen, was der pummelige Geist von ihr wollte, doch dann begriff sie.
»Es geht natürlich auch um all die anderen Geister, die betroffen sind«, verbesserte sie sich. Berta nickte zufrieden und lehnte sich wieder entspannt zurück.
Baobhan Shin musterte Gabriela argwöhnisch und auf ihrer Stirn entstand eine tiefe Falte. Ihr kalter Blick ruhte lange auf der Vampirin, die sich dabei sichtlich unwohl fühlte und verlegen zu Boden sah. Ich hätte einiges gegeben, um zu erfahren, was die Seherin gerade dachte. Einige Sekunden später wandte sie sich von Gabriela ab und sah zu mir.
»Der Codex Hostimentum ist uralt und sehr gefährlich. Wie ich euch schon mitteilte, wurde er kurz, nachdem die beiden Quellen verbannt wurden, verfasst. Die drei Schwestern ließen daraufhin nach allen Schriften suchen, in denen irgendetwas über die Quellen und den Bann zu finden war. Die Trinität erfuhr von der Existenz des Codex Hostimentum und sie setzten eine hohe Belohnung darauf aus. Da die letzte Ernte durch Unwetter zerstört worden war, fehlte es der
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