Blutrubin Trilogie - Band 3: Das Vermächtnis (German Edition)
ihre Waffen überprüften.
Mein Blick streifte suchend über die Menge. Wo war James? Als ich ihn nicht entdecken konnte, marschierte ich zu seinem Arbeitszimmer. Dort fand ich ihn an seinem Schreibtisch sitzend. James saß einfach nur da und starrte auf das Schwert vor sich. Er wirkte abwesend und unendlich traurig. Erst als ich mich ihm näherte, sah er auf und zwang sich zu einem Lächeln.
»Was machst du denn hier?«, wollte ich wissen. Jetzt, wo ich nur noch wenige Meter entfernt war, konnte ich erkennen, dass mein Schwert vor ihm lag. Die Gravur im Griff war deutlich zu erkennen und mit einem Mal wurde mir klar, warum James so betrübt war.
Er hatte Angst, genauso wie ich. Angst, dass etwas schief gehen und er mich für immer verlieren würde. Schweigend ging ich zu ihm und nahm ihn in die Arme.
»Wir werden das schaffen«, beteuerte ich und zwang mich selbst daran zu glauben. James nahm mein Gesicht in beide Hände und sah mir sehr lange in die Augen.
»Ich werde nicht zulassen, dass man dich mir wegnimmt«, versprach er.
»Ich weiß«, antwortete ich, stellte mich auf die Zehenspitzen und küsste ihn.
Danach mischten wir uns unter die anderen und besprachen die letzten Einzelheiten. Mein Vater tauchte zwischendurch auf um uns mitzuteilen, dass Evelyn sich auf den Weg gemacht hatte. Nachdem er wieder verschwunden war, gingen James und ich auf unser Zimmer und machten uns fertig. Ich warf mich in meine Kampfmontur und schnallte mir den Gürtel um, an dem ich meine Pflöcke in Schlaufen befestigte.
James protestierte nicht, dass auch ich mich auf den Kampf vorbereitete. Anscheinend hatte er endlich verstanden, dass ich das tun musste. Er selbst sah einfach umwerfend aus, so ganz in Schwarz gekleidet.
Als wir komplett angezogen und mit Pflöcken bestückt waren, sahen wir uns an und lächelten. Jetzt musste nur noch jeder der Vampire einige Schlucke von meinem Blut trinken und dann konnte es losgehen.
Freitag, 15:50 Uhr. Verbleibende Zeit: 7 Stunden und 40 Minuten.
Es hatte länger gedauert, als ich gedacht hatte, bis alle mit Blut versorgt und abmarschbereit waren.
Unser Ziel, Loch Ailsh lag zwar nur 50 km Luftlinie entfernt. Die Strecke vergrößerte sich aber dadurch, dass wir durch die Highlands fahren mussten, auf stattliche 120 km. Das wäre auch noch ein Katzensprung gewesen, doch viele der Straßen waren in sehr schlechtem Zustand und dadurch nur schwer befahrbar. James hatte uns mitgeteilt, dass er mit einer Fahrzeit von über drei Stunden rechnete.
Und da wir nicht direkt den See ansteuerten, sondern die letzten Kilometer zu Fuß zurücklegen würden, um nicht entdeckt zu werden, würden wir frühestens um 20:00 Uhr unser Ziel erreichen.
Wir fuhren in drei Geländewagen und kamen nur sehr langsam voran. Viele Straßen hier in den Highlands waren so schmal, dass man vor einem wirklichen Problem stand, wenn einem ein Fahrzeug entgegenkam.
James steuerte den ersten Wagen und führte den kleinen Convoy an. Ich hatte auf dem Beifahrersitz Platz genommen. Zu meinen Füßen lag die Tasche, in der sich die restlichen beiden Blutbeutel befanden. Auf der Rückbank saßen Finn, Sille und Balthasar.
Im zweiten Wagen befanden sich Vasili, Evan, Berta, Emma und Ian. Das Schlusslicht bildeten zwei Vampire, deren Namen ich immer wieder vergaß. Außerdem hatten es sich die Geister Alister und Bruce nicht nehmen lassen, uns zu begleiten. Sie hatten sich zusammen mit Henry, der auch ihr Geistwächter war, auf die Rückbank des dritten Geländewagens gequetscht.
Je näher wir unserem Ziel kamen, desto mulmiger wurde mir. Ununterbrochen sah ich auf meine Armbanduhr und zuckte jedes Mal zusammen, wenn ich begriff, dass mir nur noch wenige Stunden blieben. James spürte sofort, wenn ich mich verkrampfte. Er legte dann jedes Mal seine Hand auf meinen Schenkel und lächelte mir aufmunternd zu.
Es war ein schwüler, bedeckter Tag und immer wieder begann es zu regnen. Das Wetter passte perfekt zu meiner trüben Stimmung. Ich lehnte meinen Kopf zurück und betrachtete die wundervolle Landschaft um uns herum.
Es war mitten im Sommer und alle Hügel waren von einem saftigen Grün bedeckt. An vielen Hängen wuchsen violette Disteln und von weitem wirkte es, als habe jemand einen lilafarbenen Teppich über die Hänge geworfen.
Die Highlands waren mein Zuhause geworden und ich konnte mir nicht vorstellen, jemals wieder woanders zu leben. Der Tag, an dem ich James kennengelernt hatte, hatte mein ganzes
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