Blutsäufer (German Edition)
Ulli!“ Er drehte die
Hand mit der Geldbörse, bis sein Handrücken nach vorn zeigte und die Geldbörse dahinter
beinahe verschwand.
„Kennst auch keine alte Hexe, die hier wohnt,
was? Und einen brüllenden Monstermann im Keller kennst du wahrscheinlich auch
nicht? Kennst wahrscheinlich gar keinen auf dieser Welt außer deinen kleinen
Pimmelmann!“ Monstermann hatte sie gar nicht sagen wollen, aber das Wort hatte
sich ihr gedanklich schon so eingebrannt.
„Einen Monstermann und eine alte Hexe gibt es
hier nicht. Nur die Gräfin, Elisabeth und mich.“
Die blödsinnige Laberei führte doch zu nichts!
Die Menschen laberten immer endlos lang über jeden Mist und Dreck und Scheiß.
Über jeden Furz laberten sie ganze Lexikabände. Ehe sie ein Paket packten, redeten
sie erst mal ´ne Stunde darüber, wie man am besten ein Paket packen kann. Nicht
mit ihr! Sie packte jetzt ihr Paket! Sie griff an!
Der Mann schrie auf, als sie ihm die Klinge
ihres Messers gegen den Bauch drückte. „Rein mit dir!“ In der Diele versuchte
sie sich zunächst einen Überblick zu verschaffen. Es war ziemlich duster.
„Gibt es hier kein Licht?“
„In der Diele?“, fragte er. „Weiß ich nicht.“
„Bist ´n richtiger Doofarsch, was? Was weißt
du denn eigentlich?“
Er sagte darauf nichts.
„Wo ist der Keller?“
„Hier um die Ecke“, entgegnete er, „ich an
deiner Stelle würde aber nicht in den Keller gehen.“
„Weil du von dem Monstermann weißt? Sag mir
besser gleich, wer da unten ist. Der Monstermann und Ulli? Und wer noch?“,
fragte sie und fügte in noch schärferem Tonfall hinzu: „Wenn Ulli etwas
zugestoßen ist, schneide ich dir die Kehle durch! Das ist dir hoffentlich klar.
Ich kenne keine Skrupel. Mitleid mit Ärschen wie dir habe ich ohnehin nicht.“
Karla horchte an der Kellertür. „Mach mal die
verdammte Haustür zu, Doofarsch!“
„Ich heiße Franz.“
Sie lachte. „Und ich bin Karla die Killerin.“
Im Schloss der Kellertür steckte ein
Schlüssel. Sie musste ihn nicht mal herumdrehen. „So, und jetzt komm her,
Doofarsch Franz. Du gehst vor.“
„Und wenn ich mich weigere?“
Das Messer fuhr blitzschnell an Franz‘ Kehle.
Er ließ die Geldbörse fallen, um nach ihrem Arm zu greifen, um sich zu
verteidigen. Er war viel zu langsam. Sie zog das Messer zurück und hinterließ
einen Schnitt an seinem Hals.
„Bist du nicht ganz dicht, oder was?“, schrie
er sie an.
Sie kicherte. „Tritt mal einen Schritt
zurück, Doofarsch Franz.“ Sie bückte sich, hob die Geldbörse auf und warf einen
Blick in den Keller. An einer Seite fand sie den Lichtschalter. Sie drückte ihn
und wartete, bis das Licht anging. Es flackerte eine Weile, ehe es die
Kellertreppe ausleuchtete.
Karla schaute in das Portemonnaie, ihr Messer
hielt sie dabei nach unten mit drei Fingern ihrer linken Hand. Mit Daumen und
Zeigefinger fischte sie nach dem Personalausweis. Sie hob das scheckkartengroße
Plastikstück in die Höhe. Scheiß kleine Schrift, dachte sie. Sie hielt es
dichter an die Augen und trat ein Stück in den Keller, mit einem Fuß auf der
obersten Treppenstufe.
„Ulrich Hussing“, las sie leise für sich.
Ihr kleines Herz fing plötzlich wie wild an
zu pochen.
Sie fuhr herum. „WO IST DER ULLI, DOOFARSCH?“
Statt einer Antwort versetzte Doofarsch Franz ihr einen derben Stoß. Karla kreischte auf. Als sie versuchte, irgendwo
Halt zu finden, entglitten ihr Ullis Portemonnaie und das Messer. Sie ruderte
mit den Armen durch die Luft, griff ins Leere, schrie „Mist!, Mist!, Mist!“ und
kippte nach hinten. Sie hörte ein dumpfes Geräusch, als sie mit rückwärtig
hinabfallendem Arsch auf eine Holzstufe knallte. Und rutschte weiter, weiter,
weiter. Mindestens vier Stufen, vielleicht sechs Stufen weiter. Sie sah das
Licht flackern. Doofarsch Franz hatte das Licht ausgeschaltet. Es würde noch
eine Weile flackern, bis es ganz ausging. Was zwingend danach kommen musste,
konnte sie sich denken.
„NEIN!“, schrie sie nach oben, „SPERR MICH
NICHT IM KELLER EIN, FRANZ!“
Da war die Tür schon zugefallen.
Sie hörte den metallischen Klang eines sich
im Schloss drehenden Schlüssels.
Dann wurde es dunkel um sie.
Und die Angst schlich sich kalt in ihr Herz.
9
Oben
in dem Raum mit dem Gerümpel fand Franz einen alten Fernseher, den er in sein
Schlafzimmer trug. Sowohl im Wohnzimmer als auch in seinem Schlafzimmer gab es einen
TV-Anschluss. Sogar Telefonanschlüsse, an denen Router hingen, gab es
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