Blutsäufer (German Edition)
in beiden
Räumen. Sah so aus, als ob der Vorbesitzer das Haus zwar zerfallen ließ, aber
wenigstens für seine Unterhaltung gesorgt hatte.
Franz stellte unten die Sender ein und war,
nachdem der Schnee sich zu einem vage erkennbaren Bild verdichtete, ein wenig enttäuscht,
als sich herausstellte, dass es sich um einen Schwarzweißfernseher handelte. Einen
Schwarzweißfernseher hätte er allenfalls noch in einem Museum erwartet, das
sich mit der Bronzezeit beschäftigte.
Was lief denn heute im Fernsehen? Vielleicht
ein schöner Vampirstreifen? Er musste lachen.
Kann durchaus sein, dass ich in diesem Haus
irre werde. Oder dass ich schon irre bin. Wer an meiner Stelle, in meiner
Situation, würde sich schon Sorgen um seine mediale Unterhaltung machen? Doch
nur ein Irrer! Ein Irrer wie ich.
Oder ist das gar nicht so irre? Ist
Eskapismus normal, wenn man sich in einer unterschwellig bedrohlichen Lage
befindet? Und ist es normal, wenn man sich zur Befriedigung dieses Eskapismus
ein Medium aussucht, wofür keine große Konzentration erforderlich ist? Etwas,
das man dem Wortsinn nach an sich vorbeiflimmern lassen kann wie Landschaften
in einem fahrenden Zug?
Er grübelte nachfolgend eine Weile über seine
Formulierung unterschwellig bedrohlich Lage . War seine Lage denn nur unterschwellig bedrohlich? Konnte er dieses unterschwellig nicht einfach weglassen? Wie
würde ein Außenstehender seine Lage deuten?
Och, Franz, gut, dass du fragst. Ich als
Außenstehender seh das so: Du bist in der Gewalt einer Vampirgräfin, die dich
bisher zweimal gebissen und dir einmal ein Handgelenk ausgerenkt hat (und
mindestens einmal ist dir einer abgegangen, während sie ihre Zähne in deinen
Hals bohrte, du alte Sau!) …
[Bist du übrigens sicher, dass wirklich
nichts gebrochen ist? Tut doch immer noch schweineweh, dein Handgelenk, oder?]
… und außerdem hält sich in diesem Haus eine
Psychopathin auf, die du – Applaus!, Applaus!, Applaus! – erfolgreich die
Kellertreppe runtergeschubst hast. Hast die Tür zwar fein abgeschlossen, aber
wer sagt dir denn, dass es damit erledigt ist? Kann doch sein, dass die im
Keller ein Brecheisen, ´ne Axt, was weiß ich was findet. Ich sag dir, die kann
jeden Moment wieder auf der Matte stehen, Franz, die kann jeden Moment die Tür
aufbrechen oder das Türblatt in Stücke hauen. Und dann? Was wird dann aus dir,
wenn sie kommt, um dich in Stücke zu hauen? Hast du für diesen Fall vorgesorgt? Haste wieder nicht,
oder?
Also, ich würde mal behaupten, dass die
Gefahr, in der du schwebst, nicht unterschwellig bedrohlich ist, sondern extrem
beschissen gefährlich voll Scheiße bedrohlich! Verstehst du, was ich sagen
will, Franz? Du bist voll im Arsch, Alter!
Ja, der Außenstehende , die zweite
Stimme in seinem Kopf, hatte sicher recht. Diese Karla war tatsächlich eine
nicht zu unterschätzende Bedrohung. Bei der Gräfin jedoch wechselte seine
Einschätzung zum Teil minütlich. Mit ihr verband ihn etwas. Das fühlte er. Denn
die Voraussage der Gräfin nach seiner peinlichen Liebeserklärung hatte sich
nicht ganz erfüllt. Er hatte zwar einen gescheiterten Fluchtversuch hinter sich
– und dass er versuchen würde zu fliehen, war ja Teil ihrer Voraussage gewesen
–, doch hegte er keinen Hass gegen sie und ebenso wenig wollte er sie töten. (Gut,
einmal wollte er, aber da hatte er sie noch nicht richtig geliebt.) Dass
seine Liebe eine Illusion war, damit mochte sie recht haben, aber war Liebe
denn nicht immer eine Illusion?
Zurzeit war seine Liebe zu ihr auf einem
niedrigen Stand, doch das lag womöglich an ihrer Abwesenheit, an ihrer
fehlenden Präsenz. Heute Nacht, da war er sich sicher, würde er sie wieder
lieben, lieben und fürchten. Ja, man konnte sie nicht lieben, ohne sie zu
fürchten. Das eine schien das andere zu bedingen.
Es war ihm leider kaum möglich, diesen Punkt
verständlicher zu erläutern, es war ihm selber unerklärlich, wie so vieles, was
in seinem Kopf herumschwirrte.
„Schau mal, Elisabeth“, sagte er zu der
Haushaltshilfe, „Fernsehen! Willst du auch fernsehen?“
Elisabeth verstand wieder kein Wort. Sie war im
Zimmer, um sein Bett zu machen, hatte in einer unverständlichen Sprache geschimpft,
weil er das Laken abgezogen und als unordentliches Knäuel davor auf den Teppich
geworfen hatte, und alles wieder in die rechte Ordnung gebracht. Als er den Ton
aufdrehte und ein Nachrichtensprecher mit sonorer Stimme über Eurokrise und
Rettungsschirm palaverte, setzte sie
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