Blutsäufer (German Edition)
auch nichts anderes gewesen sein
als bei den anderen.“
„Und was hat sie zu den anderen gesagt?“,
fragte Bernstein.
„‘Du kommst jetzt mit mir!‘, hat sie im
Befehlston gesagt. Wie so’n Spieß auf dem Kasernenhof. Oder wie ´ne erbarmungslose
Domina, die die Peitsche schwingt.“
Statt einer Peitsche schwang die Tür auf.
Jochen grüßte den eintretenden Gast mit Namen. „Ein Bier vom Fass, wie immer?“ Der
Gast bejahte und setzte sich in die hinterste Ecke.
„Gab aber noch einen Vierten, den sie
mitgenommen hat, oder?“, fragte Bernstein. „Von dem hab ich leider kein Foto.“
„Ja, der war vor ein paar Tagen hier, der auf
den Fotos fehlt“, sagte Harry, „der hatte richtig fies Muffensausen vor dem
Biest, wenn de mich fragst. Na ja, nach dem Tumult hätte ich das auch gehabt.
Die Alte ist ja dermaßen brutal.“
„Was denn für ein Tumult?“
Harry erzählte von dem Zwischenfall mit dem
Tätowierten, der die Frau blöde angemacht hatte. „Wie die den lang gemacht hat,
hättste sehen müssen. Ich hab überhaupt noch nie jemanden gesehen, der sich so
schnell bewegen kann, nicht mal in einem Martschäl , äh … nicht mal in
einem Kung-Fu-Film. Die war schneller als Bruce … Bruce wie heißt der noch?“
Bernstein wusste, welcher Bruce gemeint war,
fühlte sich aber nicht bemüßigt, Harry über seine Wissenslücke hinwegzuhelfen.
Ich sollte bei meinen künftigen Observierungen
besser eine Schusswaffe tragen, dachte er.
„Was ist aus dem Tätowierten geworden?“
„Na, was soll aus dem geworden sein, Mathilde
hat ihn zur Notaufnahme ins Krankenhaus gefahren. Der wollte unbedingt in die
Notaufnahme, der Jammerbeutel. War aber gar nicht so schlimm. Der verwarzte Typ
hatte bloß Angst um sein einst volles Haupthaar. Hehehe!“, lachte Harry. „Mit
lückenlos vollem Haupthaar ist es bei dem nu vorbei, schätze ich. Die hat ihm
mit der Kopfhaut gleich noch die Haarwurzeln mit rausgerissen. Wird er aber
nich von sterben. Tja, die Typen, die auf Rocker machen, sind doch eigentlich
die größten Weicheier. Kaum zieht denen ´ne Frau bisschen inne Haare, flennen
se gleich und würden am liebsten zu Mutti laufen, wenn die nich schon seit
Jahren auf dem Friedhof liegen würd.“
Bernstein schlürfte an seinem Bier wie an
einem Milchshake. Er war nachdenklich geworden. „Ist euch sonst noch
irgendetwas Merkwürdiges aufgefallen an der Frau?“
Der Barkeeper spülte ein Bierglas ab und
schüttelte den Kopf. Harry dagegen wiegte seinen breiten Schädel. „Abgesehen
von ihrem Geschnüffel an den Leuten ist nur eines irgendwie seltsam.“ Er
kratzte sich am Kinn.
„Ja?“, fragte Bernstein.
„Immer, wenn sie in der Bar auftauchte, war
grad noch Vollmond.“
„War grad noch Vollmond?“, wiederholte der
Privatdetektiv mit dem Tonfall eines Mannes, der nichts begriff.
„War Mond beim Abnehmen“, berichtigte sich
Harry, „weißt du, was ich sagen will?“
„Abnehmender Mond?“
„Ja“, sagte Harry, „war grad Vollmond vorbei.
Aber ob das nu von Belang ist, weiß ich nicht.“
„Alles ist von Belang“, behauptete Bernstein.
Er trank sein Bier aus, klopfte auf die Theke und Harry auf die Schulter und
legte ein paar Scheinchen vor Jochen hin. „Stimmt so“, sagte er und: „Dank
euch, Jungs!“
Er schnappte sich seinen Mantel und
verschwand durch die Tür in die Dunkelheit.
11
Franz
lag im Bett und sah fern, sah schwarzweiß . Je später es wurde, desto
nervöser wurde er. Kurz vor Mitternacht konnte er sich auf den Film, es
handelte sich um einen alten Western mit John Wayne, kaum noch konzentrieren.
Dann wurde es Mitternacht. Die Gräfin musste jeden Moment …
Moment!
Ein Schatten fiel auf ihn, als eine Gestalt auf
allen Vieren über die Matratze krabbelte und an ihn heranrückte. Die Gestalt
biss zärtlich in seine Wange und legte eine Hand besitzergreifend auf seine
Brust.
Dass sie ihn immer so erschrecken musste!
„Mein lieber Franz“, sagte die Gräfin zur
Begrüßung und schmiegte sich an ihn.
Was war denn heute mit ihr los?
Sie war nackt wie er. Und ihre Hände waren
nicht kalt. Ihr Leib war nicht kalt. Sie war warm, beinahe fiebrig heiß. Sie
wirkte auf ihn wie besoffen.
„Wo kommst du her?“, fragte Franz. „Wo
schläfst du?“ Er war ziemlich verdattert. Anderenfalls hätte er sich
wahrscheinlich nicht getraut, zwei recht forsch gestellte Fragen an sie zu
richten. Es war ein Zeichen seines Schrecks, dass er so reagiert hatte.
Ängstlich wartete er
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