Blutsäufer (German Edition)
auf ihre Reaktion.
„Heute Nacht schlafe ich bei dir“, erwiderte die
Gräfin mit honigsüßer Stimme. (Nur nicht von ihr täuschen lassen!). „Freut dich
das, oder fürchtest du dich, wenn ich die Nacht mit dir verbringe? Entfache ich
Ekel oder Verlangen bei dir? Sei ehrlich, mein lieber Franz. Zu mir kannst du
immer ehrlich sein. Ich bin eine strenge, aber gerechte Gräfin.“
Jaja, dachte er, aber wenn ich dir eine
Antwort gebe, die dir nicht behagt, reißt du mir die Eingeweide aus dem Leib.
Oder renkst mir wenigstens ein Handgelenk aus. Würde mir lieber in Ruhe diesen
Film anschauen, als mir Sorgen um meine körperliche Unversehrtheit machen zu
müssen. Also zapf mir die paar Tropfen Blut ab, die du brauchst, und verzieh
dich aus meinem Zimmer!
Sag das doch mal laut, Franz, du kleiner
Feigling! Und sag, warum sprichst du von deinem Zimmer, wenn auch bloß in
deinen Gedanken – fühlst du dich schon heimisch im Haus einer Vampirin?
Er suchte nach einer unverfänglichen
Entgegnung auf die Frage der Gräfin und fand eine unverfängliche Gegenfrage,
die nichts beantwortete: „Bist du von sehr altem Adel?“
Ihre Hand wanderte über seinen Arm. „Ja“,
sagte sie, „sehr alter angesehener Adel, rumänischer Adel.“
„Vom Drachenorden? Bist du eine Dracul?“ Er
hatte da mal was gelesen, in einem Geschichtsbuch. „Dracul heißt doch Drache,
nicht wahr, und im Rumänischen heißt es Teufel.“
Ihr ihm schon vertrautes dunkles Lachen klang
in seinen Ohren.
„Mir scheint, du liest zu viele schlechte
Romane, mein lieber Franz.“ Sie warf einen Blick zum Fernseher. „Und widmest zu
viel deiner so kostbaren wie endlichen Lebenszeit dieser … dieser neuartigen und
entbehrlichen kleinen Erfindung.“
Neuartige Erfindung?
„Schaust du dir nie Filme an?“
„Filme erregen mich nicht. Sie sind
zweidimensional. Keine Menschen aus Fleisch und … und BLUT! Wenn du einen
wahrhaften Genuss erleben willst, dann gehe ins Theater. Auf der Bühne stehen
niemals tote Menschen!“
Eine Weile herrschte Schweigen, dann sagte
sie unvermittelt:
„Ich habe im Keller ein kleines verängstigtes
Mädchen gefunden.“
Karla hatte er längst vergessen oder
verdrängt. Vielleicht sollte er sich demnächst aufschreiben, was es mit der
Gräfin Wichtiges zu besprechen gab. Die wichtigsten Ereignisse des Tages, über
die es zu referieren galt nach einem langen Tag. Er musste ein blödes Kichern
unterdrücken, das ihm in der Kehle saß.
„Ja“, sagte er, „sie ist heute in unser Haus
eingedrungen.“ In unser Haus? „Sie hatte ein Messer.“ Das Messer und das
Portemonnaie hat sie fallen lassen, dachte er. Das Portemonnaie! Ulrich
Hussing! „Ich habe sie die Kellertreppe runtergestoßen.“
Die Gräfin küsste ihn auf die Stirn. „Das
hast du gut gemacht, mein lieber Franz. Ich glaube, ich habe dich unterschätzt.
Du bist mein erster …“ Sklave? Leibeigener? erstes Opfer? meine erste Beute? „Mein
erster Mensch, den ich wahrlich liebgewonnen habe.“
Er traute sich kaum nachzufragen: „Was hast
du mit der Frau gemacht, Gräfin?“
„Ich habe sie im Keller an die Wand
gekettet.“
Mit Anketten hatte sie es irgendwie.
Die Gräfin legte eine Hand in sein Haar und
spielte mit einzelnen Strähnen. Franz fühlte sich unvermittelt an die Szene in
der Bar erinnert, hörte abermals den grellen Schrei des Mannes, der ihr etwas
Unflätiges nachgerufen hatte und dafür büßen musste. Als sie an einem Büschel
zog, krampfte sich alles in ihm zusammen. Ob sie es wahrnahm und gerade deshalb
ihre Hand in seinem Haar ruhen ließ? Aus reiner Bosheit?
„Es wird sich einiges ändern in diesem Haus,
Franz“, sagte sie gefährlich leise, „Elisabeth wird uns morgen verlassen. Dann
sind wir beide ganz auf uns allein gestellt. Wie findest du das? Wir zwei
allein …“
„Oh“, sagte er und dachte: Hat sie gekündigt?
Hat sie etwas Besseres gefunden? Fegt sie nun für Satan den Schwefel aus der
Hölle?
„Sie muss zurück nach Rumänien. Ich werde dir
daher ab morgen einen Teil ihrer Aufgaben übertragen. Den verbleibenden Aufgaben
werde ich mich persönlich widmen.“
Soll ich ab morgen das Haus durchsaugen? Auch
keine schlechte Karriere: Büromensch wird als Quereinsteiger Putzfrau einer
Vampirgräfin.
„Wird auch der Keller in meinen
Aufgabenbereich fallen?“, fragte er. „Soll ich mich um die Frau kümmern, ihr
Wasser und was zu essen bringen?“
Ein heftiger Ruck an seinem Haar.
„Gehe nicht in den Keller,
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