Blutsäufer (German Edition)
können.
„Und noch was Interessantes“, sagte
Kleinbügler, „die Blutgruppe der Vermissten.“
„Was’n mit der?“
„Timo Hansen und Holger Küster hatten
dieselbe. AB Rhesusfaktor negativ. Ist die seltenste Blutgruppe, die es gibt
auf der Welt. Interessant, nich?“
„Hmm“, machte Bernstein, „und Ulrich Hussing?
Hatte der auch diesen Rhesusfaktor?“
„Weiß ich nicht. Ruf doch mal den Vater an.
Vielleicht kennt der die Blutgruppe seines Sohnes.“
„Ich kenne nicht mal meine eigene“, sagte
Bernstein. „Welche Blutgruppe hast du denn?“
„Tja, äh …“, sagte Kleinbügler. Er musste
ebenfalls passen.
Hussing dagegen wusste die Blutgruppe seines
Sohnes und vermutlich auch die eigene. Er hatte das abgespeichert wie
Körpergröße oder Haar- und Augenfarbe. Es war tatsächlich AB Rhesusfaktor
negativ. „Warum wollen Sie das denn wissen?“
„Ist wahrscheinlich gar nicht weiter wichtig,
Herr Hussing. Bei meiner umfangreichen Ermittlungsarbeit stoße ich dauernd auf jede
Menge Anhaltspunkte. Manche passen ins Puzzle, andere nicht. Ob der
Anhaltspunkt mit der Blutgruppe ins Puzzle passt, wird sich noch
herausstellen.“
Nach dem Gespräch mit Hussing rief er wieder Magdalena
an. Ihre sirenenhafte Stimme plapperte sofort unaufhörlich auf ihn ein. Sie
redete mit ihm wie mit jemandem, den sie zwölf Jahre nicht gesehen hatte, dabei
stand ihre erste Begegnung doch erst noch bevor. Irgendwie war ihm die Frau
nicht ganz geheuer. Wollte er sich wirklich mit der treffen? Da hätte er sich auch
gleich mit dieser verrückten Stalkerin verabreden können, dieser Karla. Aber andererseits,
Bernstein, dachte er, solltest du dir diese Chance nicht entgehen lassen. Ist
ja nicht so, dass die Frauen bei dir Schlange stehen.
Er ließ sich ihre Adresse geben und stieg umständlich
in seine kaputten Halbschuhe. Zum Glück war er auf öffentliche Verkehrsmittel
nicht mehr angewiesen. Sein Schwager, der Mann seiner Schwester und Inhaber
einer kleinen Kfz-Werkstatt, hatte sich in der Zwischenzeit um seine alte Karre
gekümmert und sie notdürftig repariert. Bernstein starrte auf den Kalender an
der Wand, ehe er sich auf den Weg machte. Er hatte jeden Tag seiner Krankheit
mit einem roten Kreuz vermerkt. War er tatsächlich drei Wochen lang krank
gewesen? Wie die Tage doch dahin rennen, dachte er, je älter man wird, desto
mehr überschlagen sie sich wie irgendwelche Flickflack-Chinesen kurz vor
Olympia. Kopfschüttelnd stieg er die Treppe hinab.
15
Eines
Nachts kam die Frau aus dem Sarg zu ihr und befreite sie von den Ketten. In
Karlas Augen zeichnete sich keine Freude darüber ab. In der Erleichterung ihrer
Qualen vermutete sie allenfalls eine neue Gemeinheit. Etwa, dass sie die
kommenden Tage und Nächte auf dem Stachelstuhl verbringen durfte .
Oder sie bringt dich zu dem Monstermann,
dachte sie, und der frisst dich dann bei lebendigem Leibe auf, frisst sich erst
durch deine Eingeweide, und dann …
Karla ließ sich stöhnend auf den Boden sinken
und verfolgte, was die alte Hexe, die sie neuerdings für sich die Vampirschlampe
nannte, da trieb.
Die Vampirschlampe verschwand zunächst
aus ihrem Blickfeld; Karla machte sich nicht die Mühe, den Kopf zu heben, um
ihr Blickfeld zu erweitern, oder sie konnte es nicht. Sie starrte einfach vor
sich hin und fuhr sich mit ihrer ausgetrockneten Zunge über die Lippen.
Als die Frau zurückkehrte, hatte sie einen
hölzernen Hocker und einen Nachttopf dabei. Der Nachttopf war zum Teil mit
Wasser gefüllt und der Hocker sehr klein. Die Sitzfläche würde für Karlas Gesäß
kaum ausreichen, wenn er denn für sie gedacht war.
Für wen sonst? Wer kam denn außer ihr in
Frage?
Der Hocker wurde in eine Ecke gestellt, Karla
unter den Achseln gepackt und drauf gesetzt. Der Nachttopf vor ihr auf dem
Boden abgestellt. Sie sah das Wasser in dem Behältnis schwappen. Es schien
klares, sauberes Wasser zu sein. Verlockend!
Karla hatte nicht den kleinsten Versuch einer
Gegenwehr gewagt, als sie unter den Achseln gepackt worden war. Mit ihren
schmerzenden Gelenken …
Schmerzten sie denn überhaupt noch? … oder
waren sie taub geworden? … oder war es eine Art Mischgefühl – Schmerz,
überdeckt von Taubheit, aber durch die Taubheit nicht völlig ausgelöscht?
Mit ihren schmerzenden Gelenken wäre sie kaum
fähig gewesen, diesem Nachtwesen Paroli zu bieten.
Davon abgesehen glaubte Karla nicht, dass
irgendjemand auf der Welt diesem Nachtwesen Paroli bieten konnte. Sie
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