Blutsäufer (German Edition)
erreichten, waren
Habenbuchungen schließlich ausgenommen.
Wie man sich denken kann, gab ihm seine
finanzielle Misere keinen Auftrieb für eine schnelle Gesundung und zur Wiederaufnahme
seiner Observierungen.
Während der folgenden Tage las Bernstein viel
Zeitung. Er hatte noch ein paar alte gefunden, die ihm beim Müllentsorgen
entgangen waren. Lagen auf irgendwelchen Stapeln zwischen Zeitschriften, die er
behalten wollte. In einer alten Ausgabe fand er einen Artikel über den
ermordeten Kampfkunstlehrer. Schwarzer Karategürtel, schwarzer Gürtel im Ju-Jutsu
– Kickboxen hatte er ebenfalls gelernt und unterrichtet. Und wie er von
Kleinbügler schon wusste, hatte der Typ ausgerechnet auf dem Hinterhof seiner
Kampfkunstschule sein Leben gelassen. Aus der Zeitung erfuhr er, dass ihn eine
seiner Schülerinnen gefunden hatte. Nach dem Training hatte sie sich erst
umgezogen und fein gemacht, ehe sie ihr absolutes Idol – sie wurde so zitiert:
„Er war mein absolutes Idol, der André!“ – suchen gegangen war, weil sie ihn
noch etwas über effektive Selbstverteidigung fragen wollte. Und da der André,
Idol hin oder her, auf dem Hinterhof gern ein Zigarettchen nach dem Training
durchzog, hatte sie ihn dort auch gesucht.
Und gefunden!
„Ich hab ein Geräusch gehört und gesehen, wie
ein Schatten über eine Mauer sprang. War bisschen baff, weil … über eine zwei
Meter hohe Mauer springt eigentlich keiner aus dem Stand. Nicht mal der André.“
So berichtete sie es dem Reporter vom Dölinghausener Tageblatt.
Bernstein rief Kleinbügler an und verlangte
die Telefonnummer der Frau. Kleinbügler hatte gemurrt und sich geziert wie ´ne
Jungfrau in der Kirche. Oder wie ein alter Geizkragen, wenn der Klingelbeutel
rumging. Bernstein musste ihn mindestens fünf Minuten lang bearbeiten, ehe er
die Nummer erhielt. Mit der Aussicht auf die ganz große Geschichte ,
hinter der der Privatdetektiv her war und die Kleinbügler exklusiv auf dem
Silbertablett serviert bekommen sollte, hatte er ihn schließlich weichgekocht.
Die Frau, die Magdalena Mertens hieß, hatte
ihm dann Folgendes erzählt: „Hab den Ulli nicht gesehen. Aber neben der großen
Mülltonne lag eine brennende Zigarette, halb aufgeraucht, und erst als ich die
Mülltonne sah, konnte ich das Geräusch zuordnen. Es klang so, wie wenn jemand
den Runddeckel der Tonne zufallen lässt, verstehen Sie? Das war der Schatten,
hab ich so bei mir gedacht und mich gefragt, wie der so flink von der Tonne zur
Mauer kommen konnte, denn zwischen dem Geräusch und dem Sprung über die Mauer
dürfte allerhöchstens eine Sekunde vergangen sein. Ich hab dann hineingesehen
in die …“
Die Frau schniefte und schluchzte Bernstein
die Ohren voll. Der Anblick war nicht schön gewesen. Der André mit verdrehten
Armen, die einer komplizierten Kung-Fu-Stellung ähnelten. Der Kopf irgendwie
weggeklappt, der Hals aufgebissen, das erigierte Glied zeigte wie der überlange
Lauf einer Handfeuerwaffe auf sie.
Magdalena erzählte Bernstein viel und immer
mehr über André, den großen Meister der Kampfkünste. Musste er alles gar nicht
wissen. Wäre aber unhöflich gewesen, wenn er einfach aufgelegt hätte. Machte er
darum selten in solchen Fällen.
Angeblich hatte André Chuck Norris persönlich
gekannt. Als ob das ´ne große Leistung des Großmeisters André gewesen wär, hatte
Bernstein bei sich gedacht. Und: geholfen hat ihm das anscheinend auch nicht,
weder der Norris noch die vielen schwarzen Gürtel, die er sich um die Hüfte
wickeln durfte. Ne Wumme ist eben doch das Beste, dachte er. Ne Wumme konnte
kein schwarzer Gürtel ersetzen, wenn’s richtig eng wurde. Wenn draußen die Luft
brennt, dachte er, braucht man ein Feuereisen in der Hose, je dicker, desto
besser.
Bernstein hatte früher mal ein bisschen Judo
gemacht. Als er durch die Gelbgurtprüfung gefallen war, hatte er wieder
aufgehört. Scheiß Judo!, hatte er damals gedacht. Blöde Jackenzieherei. Kleinkindergerangel.
Mädchenkram!
„Ich hab André sooo geliebt!“, heulte die
Frau ihm jetzt ins Ohr.
Heulende Weiber hielt er lieber auf Abstand.
Konnte er aus der Nähe bloß mit einem Knebel im Maul ertragen. Hatte er ihr
eigentlich schon sein Beileid ausgesprochen? Ach, was soll’s. Mit der
Kondolenzscheiße hielt er sich hier nicht auf. Außerdem soll der Kerl ja recht
freudig gestorben sein. Neben der Mülltonne auf dem Hinterhof hat die Polizei
die meiste Spermasoße gefunden, da konnten die anderen Opfer nicht
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