Blutsäufer (German Edition)
sie
wieder zu sich kam, war der Schmerz zwar geblieben, aber dumpf und erträglich
geworden. Sie lag bei den Fackeln und nicht am Haus. Anscheinend hatte die
Gräfin sie aus einem für sie nicht nachvollziehbaren Grund zurück zu den
Fackeln geschleift.
Nach einer ihr unendlich lang vorkommenden
Zeit hatte sie sich irgendwann aufrappeln können. Alle Knochen taten ihr weh, wenn
sie sich bewegte – aus dem dumpfen Schmerz wurde ein ziehender –, doch sie wusste,
dass sie aufstehen musste. Wenn sie nicht aufstand, würde sie dieses Abenteuer niemals
heil überstehen.
Heil überstehen? Hah, heil überstehen ist
nicht mehr, dachte sie. Wenn jetzt ein Arzt käme und dir alle angebrochenen
Knochen eingipsen würde, würdest du aussehen wie eine einbalsamierte weiße Mumie.
Ein paar Meter entfernt von den Fackeln fand
sie ihr Schwert wieder und steckte es in die Scheide auf ihrem Rücken.
Was war jetzt zu tun?
Sie fragte sich, was André getan hätte. Oder
Chuck Norris. Vermutlich hätten sie den Opfern hilfreich zur Seite gestanden.
Wahre Helden kümmerten sich immer um die Opfer. Das machte sie aus.
Unentschlossen humpelte sie zu der Frau mit
der Trommel. Die Frau war ihr schon aus der Ferne unsympathisch. Aus der Nähe
konnte sie ihre Abneigung kaum verhehlen. „Geht es dir gut?“, fragte sie. „Kann
ich etwas für dich tun?“
Die Frau brauchte mindestens drei Sekunden,
um zu reagieren. Nach diesen drei Sekunden hob sie den Kopf und sagte mit
monotoner, leiernder Stimme: „Ich will doch bald den Franz heiraten – in einer
schönen Kirche.“
Interessante Antwort. Aber keine, mit der sie
gerechnet hatte oder die im Moment einen Sinn ergeben würde. Was sollte sie
darauf sagen? Etwa: „Schön, darf ich eure Trauzeugin sein?“
Sie fragte sich, wie jemand in diesem
grausamen Tohuwabohu an Heirat denken konnte. Außer vielleicht ein Psycho.
„Glückwunsch!“, sagte sie schließlich. „Da
wird sich dein Franz aber freuen.“
Die Kleine lächelte. „Meinst du?“ Das Lächeln
verlor sich rasch. Ihre Miene wurde hart. „Er weiß noch nichts davon. Kann
sein, dass er nicht will. Was tut man, wenn jemand nicht heiraten will? Bringt
man den dann um?“
Die ist ja noch durchgeknallter als ich,
dachte Magdalena.
Zum Spaß sagte sie: „Nur wenn nichts anderes
mehr hilft. Wenn all deine Bemühungen nicht gefruchtet haben. Dann bringt man
ihn selbstverständlich um, klar!“
Die Kleine nickte eifrig. „Ja, ich werde mich
bemühen müssen. Ihm zum Frühstück Kaffee kochen. Ein bisschen seine Wäsche
waschen. An seinem Schwanz und seinen Eiern lutschen.“
„Na, das hört sich doch nach einer tollen
Strategie an“, sagte Magdalena, während sie ihren Blick schweifen ließ. Sie
hatte es eilig. Sie musste weiter. Dem Polizisten auf dem Rasen würde sie zwar kaum
noch helfen können, der war bestimmt mausetot, aber daneben sah sie das
Nacktmännchen, das seinen Kopf in den Brüsten der Vampirgräfin gebettet hatte.
Schien selig zu schlafen auf seiner merkwürdigen Bettstatt.
Vorsichtshalber zog sie ihr Schwert. Die
Vampirgräfin sah zwar nicht sehr lebendig aus, aber …
„Ich wünsche dir alles Gute“, sagte sie zu
der Irren mit der Trommel, ehe sie zu dem Nacktmännchen hinüberlief, das jetzt
eine Polizeijacke und einen einzelnen Schuh trug. Alle drei Gestalten am Boden
bewegten sich nicht. Waren sie etwa alle tot, auch das Nacktmännchen?
Sie stieß den Mann mit dem Fuß an.
„Hey, du!“
Es dauerte eine Weile, bis der seine Augen
öffnete. Er schien nicht gleich zurück in der Welt zu sein, schaute glasig in
den Himmel und dann auf sie.
„Hm?“, machte er.
„Wie geht es dir?“
„Nicht so gut“, sagte er und verzog den Mund
wie ein Kleinkind, das seinen Heulkrampf mimisch ankündigt. „Ich will nach
Hause. Ich will eine Unterhose anziehen.“
War das sein einziges Problem: eine
Unterhose?
Sie warf einen prüfenden Blick auf die
Vampirin. „Ist die Vampirsau da unter dir tot?“
Er fing jetzt tatsächlich an zu weinen. Oder
vielmehr zu wimmern, ganz leise. „Jaaa, sie … ja, sie … ist tooot. Ist das …
ist das … nicht furchtbar traurig?“
Wie man’s nimmt, dachte sie. Andere würden
diesen Umstand eher feiern, sie würden auf den Tischen tanzen, ein paar
Silvesterraketen in die Luft schießen und die Gläser mit Hochprozentigem füllen.
Und beim Anstoßen die Gläser klirren lassen und die Hälfte wieder verschütten.
„Ich heiße übrigens Magdalena. Und wie
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