Blutsauger
Fettembolie gekommen.«
Kräuter war in Polizei- und Justizkreisen als kompetenter Gerichtsmediziner bekannt, der mit der Ruhe und Gelassenheit eines Buchhalters den menschlichen Körper zerlegen und darüber dozieren konnte, als sei dies das Normalste der Welt.
»Fettembolie«, interpretierte Schmittke die Meldung des Gerichtsmediziners, »kommt relativ selten vor. Glücklicherweise, muss man sagen. Sie entsteht, wenn sich bei Knochenbrüchen Fettgewebe auflöst und in die Lunge gelangt.«
»Seltsames Zusammentreffen von merkwürdigen Todesfällen«, knurrte ein anderer aus der Runde. Er war knapp vor der Pensionsgrenze und kannte aufgrund seiner langen Berufserfahrung jede Menge Todesursachen, bisweilen sogar ziemlich mysteriöse. Bislang war ihm eine Fettembolie nicht untergekommen. Zumindest nicht in den Fällen, die gewisse Rätsel aufgegeben hatten.
»Was sagt denn die Staatsanwaltschaft?«, zeigte sich Linkohr interessiert. Es konnte nichts schaden, jene Behörde ins Gespräch zu bringen, vor der jeder noch so hochdekorierte Polizeibeamte artig in die Knie ging.
»Ziegler hat gegenüber dem Chef angedeutet, dass er sowohl eine absolute Aufklärung verlangt, gleichzeitig aber Rücksichtnahme auf die beteiligten Ärzte möchte«, erklärte Schmittke, der sehr wohl einzuschätzen vermochte, dass Ziegler, der Leitende Oberstaatsanwalt im nahen Ulm, offenbar gewisse Zweifel hegte.
»Wasch mir den Pelz, aber mach mich nicht nass«, kam es aus der Runde zurück.
»Die Frage ist«, zeigte sich Schmittke davon unbeeindruckt, »was können wir tun, wenn der Gerichtsmediziner Fremdverschulden ausschließt?«
»Bei diesem getöteten Arzt haben wir’s immerhin mit einer Unfallflucht zu tun«, gab der Älteste zu bedenken.
»Okay«, bestätigte der Außenstellenleiter, »aber das ist Sache der Unfallfluchtermittlungsgruppe. Watzlaff …«
Ein gelangweilter, schlaksiger Kriminalist, der bisher schweigsam, an einem Aktenschrank gelehnt dastand und sich offenbar auch um Blickkontakt zu Kerstin bemühte – wie Linkohr missmutig feststellte –, unterbrach ihn unhöflich: »Geh’n wir mal davon aus, dass jemand diesen Arzt mit dem Auto umbringen wollte, dann wäre das für Watzlaffs Mannschaft eine Nummer zu groß. Und ich denke, Ziegler hat auch Bauchweh gekriegt.«
Schmittke wollte dies nicht kommentieren, sondern entschied für sich, die Empfehlung des Leitenden Oberstaatsanwalts aufzugreifen und sich mit den Obduktionsergebnissen allein nicht zufriedenzugeben. Möglicherweise würde dies Ziegler sogar anordnen – und darüber hinaus war es der eigenen Karriere förderlich, ihm zuvorzukommen.
»Ich schlage vor, dass zunächst Kollege Linkohr einige Vernehmungen vornimmt«, sagte er. Der junge Kriminalist zuckte innerlich zusammen. Er war in Gedanken zwischen Jenny und Kerstin hin- und her gerissen. Was hatte Schmittke gesagt? Vernehmungen?
»Gibt’s denn eine Frau Fallheimer?«, wollte Linkohr wissen und erntete von den Kollegen spöttisches Grinsen.
Schmittke blieb gewohnt sachlich. »Gibt es im Prinzip nicht. Sie sind wohl geschieden, aber es wäre zumindest eine Möglichkeit, mithilfe der Frau etwas über das Privatleben zu erfahren.«
»Also ganz klar ein Fall für den Mike«, spöttelte einer der Kriminalisten. »Unseren Frauenversteher.«
Linkohr war dies peinlich, obwohl er natürlich längst derlei Bemerkungen gewohnt war, weshalb er sich nicht zu einer Reaktion provozieren ließ, erst recht nicht im Beisein von Kerstin. Stattdessen bemerkte er süffisant: »Die meisten Männer haben keine Ahnung, was die Frauen über sie wissen.« Wieder trafen sich seine Blicke mit denen Kerstins.
»Oh, oh, oh«, machte der Ältere. »Der Herr Kollege spricht aus Erfahrung.«
»Nicht aus persönlicher, aus beruflicher Erfahrung«, entgegnete Linkohr kurz. »Wo kriegt man die Frau?«
Schmittke blätterte in seinen Unterlagen. »Wohnt in Ulm. Ist übrigens Krankenschwester, an der Uni-Klinik.«
»Na denn, Mike«, frotzelte einer im Raum. »Das wäre genau was für dich. Wieder mal ’ne Krankenschwester.« Er spielte auf eine Verflossene Linkohrs an. Als der junge Kollege vor einigen Jahren zur Geislinger Kriminal-Außenstelle gekommen war, hatte er von einer Krankenschwester geschwärmt.
Kerstin grinste provokant: »Ich begleite den jungen Kollegen, damit ihm nichts passiert.«
»Ui«, entfuhr es dem Älteren. »Das nenn ich aber Fürsorge.«
Die junge Frau, die auffallend groß und schlank war, gab
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