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Blutsauger

Blutsauger

Titel: Blutsauger Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: M Bomm
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von seinem Büro-, Wohn- und Schlafbereich im vorderen Teil nicht jedes Mal durch den Flur zu gehen, wenn er einen der Laborräume aufsuchen wollte, aus denen das summende und klickende Geräusch automatischer Apparaturen drang, mit denen unablässig chemische und biologische Lösungen gemixt, getrennt oder auf Nährböden verteilt wurden.
    Nur die Toilette, das empfand er als äußert lästig, befand sich auf der anderen Seite des langen Ganges, wo die breite Treppe ins Obergeschoss führte und es Abstellräume gab, die er als Lager für Geräte und Laborutensilien nutzte. Manchmal überkam ihn nachts ein ungutes Gefühl, wenn er zur Toilette gehen musste.
    Auch jetzt befiel ihn diese Mischung aus Angst und Unsicherheit, aus Vorwürfen und Selbstmitleid, womit sein Forschergeist aus ihm zu schwinden schien. Natürlich war es möglich, was Kritiker immer behaupteten – dass nämlich eines Tages irgendetwas außer Kontrolle geraten könnte. Doch von der Entwicklung eines Monsters war er weit entfernt. Und gentechnisch veränderte Lebewesen gab es schließlich schon zuhauf. Was in seinen Schalen und Behältern herangezüchtet wurde, war im Prinzip nichts anderes, obwohl ihn natürlich am allermeisten jene Frage bewegte, die weltweit die Wissenschaftler nicht ruhen ließ: Wie entsteht Leben aus Materie? Der Urknall-Theorie zufolge ist der Grundstock dafür vor Milliarden von Jahren gelegt worden. Zwar war 1953 beim viel beachteten Miller-Urey-Versuch in Chicago nachgewiesen worden, dass unter bestimmten Bedingungen aus anorganischen Stoffen organische werden können – aber wirklich Lebendiges oder gar eine wenigstens niedere Intelligenzform ließ sich bis heute nicht herstellen. Dahinter verbarg sich ein großes Geheimnis, das nicht nur naturwissenschaftliche, sondern auch theologische Dimensionen hatte.
    Im Bruchteil einer Sekunde hatten ihn all diese Gedanken und Bedenken wieder gepackt.
    Er blieb in der Mitte des Raumes stehen und hielt den Atem an, um keine Eigengeräusche zu verursachen. Egal wie angestrengt er lauschte, es gab nichts, was ihn hätte beunruhigen können. Für einen Moment überlegte er, die Polizei anzurufen, verwarf jedoch den Gedanken sofort wieder, weil dies gewiss einige Fragen nach sich gezogen hätte, die er nicht beantworten wollte.
    Vielleicht hatte er das alles nur geträumt. Vielleicht war sein müdes, alkoholgeschwängertes Gehirn mit ihm durchgegangen. Oder es hatte irgendwelche Straßengeräusche mit seinen Angstträumen vermengt. Straßengeräusche? Er befand sich inmitten eines Gewerbegebiets und es war Viertel nach eins am Montagmorgen. Wer sollte zu dieser ungewöhnlichen Zeit lärmen? Konnte durchaus sein, sagte ihm sein wieder klar werdender Verstand. Unweit entfernt, in diesem Zentrallager, wurde rund um die Uhr gearbeitet. Zumindest hatte er das einmal erfahren.
    In diesem Augenblick des angestrengten Nachdenkens zerriss ein schrilles Geräusch die Stille. Humstett zuckte zusammen, obwohl es ihm vertraut war – das Telefon. Doch in dieser Situation erschien ihm der elektronische Klingelton wie die Salve aus einem Maschinengewehr. Um diese Zeit rief ihn normalerweise niemand an. Außerdem hatte er die Festnetznummer in kein Verzeichnis aufnehmen lassen. Sie war allenfalls einem halben Dutzend Personen bekannt.
    Nach der ersten Sekunde des Schreckens näherte er sich dem Telefon, um einen Blick aufs Display zu werfen. ›Unbekannter Anrufer‹ stand dort zu lesen. Es wurde also keine Nummer übertragen.
    Sein Misstrauen stieg. Er zögerte. Eine Falle? Ein Hinterhalt? Wollte jemand testen, ob er da war? War es nicht besser, den Anruf zu ignorieren? Wenn er jetzt abnahm, erbrachte er den Beweis, dass er sich im Gebäude befand. Und hatte man’s auf ihn persönlich abgesehen, könnte er sich wohl kaum zur Wehr setzen. Andererseits, so meldete sich Humstetts scharfer Verstand, während der Klingelton weiterhin nervend die Stille durchschnitt, konnte der Anrufer das Gegenteil testen wollen: Sichergehen, dass niemand im Haus sein würde und ein Einbruch risikolos zu bewerkstelligen war.
    Er ärgerte sich, den Anrufbeantworter niemals aktiviert und besprochen zu haben. Gleichzeitig kam ihm eine geniale Idee. Während der Apparat bereits zum fünften Mal den schrillen elektronischen Ton von sich gab, konzentrierte sich Humstett auf das, wofür er sich entschieden hatte. Er benötigte ein paar Sekunden, griff zum Hörer und sagte so monoton, wie er nur konnte: »Guten Tag – Sie

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