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Blutsauger

Blutsauger

Titel: Blutsauger Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: M Bomm
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Verbrennens fossiler Energien oder auf die hirnrissige Produktion endlos strahlenden Materials mit Schaudern zurückdenken und sich fragen, welchem Irrsinn die Menschheit damals aufgesessen war.
    Ob dann allerdings noch jemand wusste, weshalb um einen öden Fleck auf dem Globus, in der heutigen Ukraine, seit Menschengedenken eine Verbotszone gelegt war, die jeden, der nicht an das überlieferte Horrorszenario glauben wollte, gesundheitlich ruinierte, dürfte fraglich sein. Vermutlich würde niemand mehr etwas mit dem Namen anfangen können, der so ähnlich klang wie ›Schernobühl‹.
    Humstett ertappte sich dabei, wieder einmal nutzlos in ein Gedankenkarussell gezogen worden zu sein, während er durch die weiten Räume seines Labors ging, einige Messinstrumente prüfte und auf unzähligen Monitoren grafische Darstellungen kontrollierte. In der Luft lagen das leise Rauschen der Klimaanlage und das monotone Klicken von Mini-Robotern, die mit winzigen Pipetten kleinste Mengen von chemischen Substanzen mischten. Grelles Licht von Leuchtstoffröhren erhellte die Szenerie, in der – entsprechend gekühlt oder temperiert – ein Stück weit jene Ursuppe rekonstruiert wurde, aus der alles entstanden sein sollte.
    Nachdem die Jalousien geschlossen waren und er in jedem Labor das Licht gelöscht hatte, gönnte sich der Wissenschaftler zum ersten Mal an diesem Tag einen Schluck Rotwein, dessen Flasche im wohltemperierten Vorraum seines Büros stand. Er goss ein Glas voll und nahm es mit an seinen Schreibtisch, der sich inmitten eines chaotisch anmutenden Aktenlagers wie ein Fels in der Papierbrandung erhob.
    Er wollte noch einige Computerseiten über den Ablauf des heutigen Tages schreiben. Obwohl er spürte, dass ihn jede einzelne Formulierung quälen würde. Die Müdigkeit hatte sein Leistungsvermögen bereits deutlich eingeschränkt. Wohl wissend, dass der Alkohol allenfalls für kurze Momente als Aufputschmittel taugte, hatte er das erste Glas innerhalb einer halben Stunde getrunken und sich gleich ein zweites eingeschenkt.
    Beim wiederholten Lesen des Textes hatte er erhebliche Mühe, die Zusammenhänge zu verstehen. Er löschte ganze Sätze, veränderte sie – und spürte, wie die Buchstaben vor seinen Augen verschwammen und sich Bruchstücke des Gelesenen in einem Traum vermischten und eine irreale Geschichte entfachten, in der außer Kontrolle geratene Mächte von allen Seiten über ihn herfielen. Ein paar Mal versuchte er verzweifelt, sich mit halbwachem Verstand dagegen zu wehren. Er klickte mit der Maus an Textstellen, die es gar nicht gab, und schrieb Worte, die keinen Sinn machten – bald darauf schlief er auf seinem Stuhl ein. Sein Körper sank in sich zusammen, der Kopf wurde von der hochgezogenen Lehne gehalten.
    Er hätte nicht sagen können, wie lange er weggeschlummert war. Doch das Geräusch, das ihn mit einem Schlag aus den Albträumen gerissen hatte, verhieß nichts Gutes. Sein Unterbewusstsein hatte es registriert und Alarm geschlagen.
    Humstett spürte seinen Herzschlag und war für eine Sekunde orientierungslos. Sein Schädel brummte und etwas in ihm riet instinktiv zu äußerster Achtsamkeit. Noch zwei, drei Sekunden blieb er sitzen und lauschte in die Stille, in der sich das Rauschen der Klimaanlage und des Computergebläses vermischten.
    Die Haustür, so begann er in Gedanken eine imaginäre Checkliste durchzugehen, hatte er abgeschlossen – da war er sich ganz sicher. Und auch die schwere Schiebetür auf der Rampe im Hinterhof war verschlossen. Und durch die heruntergelassenen Jalousien konnte kein einziger Lichtstrahl nach außen dringen.
    War es ein Schlag gegen ein Fenster gewesen? Oder gegen die Schiebetür im Hof? Noch zögerte Humstett. Er versuchte, seinen brummenden Schädel wieder in Gang zu bringen. Vor ihm malte der Bildschirmschoner bunte Kringel auf den Monitor, neben der Tastatur stand das leer getrunkene Weinglas, in dem einige rote Rückstände inzwischen eingetrocknet waren. Humstett sah auf seine Armbanduhr: 1.17 Uhr. Er musste mindestens drei Stunden in dieser ungemütlichen Position geschlafen haben.
    Vorsichtig, als wolle er kein Geräusch verursachen, erhob er sich, spürte, wie Nacken und Rücken schmerzten, und lauschte. Nachts hatte er sogar innerhalb des Gebäudes alle Türen zum Flur abgeschlossen. Dieses ehemalige Firmengebäude war alles andere als wohnlich. Raum reihte sich an Raum und die meisten waren miteinander durch eine Tür verbunden. Daher brauchte er

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