Blutsbrueder
Herzen leid, nichts tun zu können für Rock.
Der tätowierte Krieger war auch ihr ans Herz gewachsen. Er war, wie sein Name sagte, ein Fels in der Brandung gewesen und würde eine klaffende Lücke hinterlassen. Sie sah auf ihn hinab und konnte in der Netzhaut seines linken Auges das winzige Loch erkennen, durch das der tödliche Laserstrahl direkt in sein Gehirn gedrungen war.
Körperlich sah er unverletzt aus. Man konnte meinen, er schliefe. Doch Lili wusste, sein Gehirn war in Brei verwandelt worden. Sie konnte nichts für ihn tun.
»Verdammt.« Sie fluchte laut und sah auf ihre Hände, die sehr vieles vollbringen konnten. Seit sie mit Thunder verbunden war, war die Magie, die sie durchströmte, stärker geworden. Doch Rock konnte nur ein wirkliches Wunder helfen.
Erneut füllten sich ihre Augen mit Tränen und sie fühlte sich so hilflos. Nichts konnte den Schmerz lindern, den Rocks Tod über sie alle gebracht hatte.
Die Asiatin atmete tief durch und machte sich daran Rock zu entkleiden, um ihn zu waschen. Das war der letzte und einzige Dienst, den sie ihm noch erweisen konnte.
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64. Kapitel
Die Bewohner des Anwesens trafen sich zu einem schweigsamen Abendessen.
Keiner von ihnen hatte Appetit, doch Paula hatte darauf bestanden zu kochen, sie war wohl der Meinung, dass Essen allen Kummer heilen konnte. Um sie nicht zu kränken, setzten sich die Männer und Frauen an den Tisch.
Ausnahmslos alle stocherten auf ihren Tellern herum und zwangen sich, zumindest ein paar Bissen hinunterzuwürgen.
Schließlich räusperte sich Thorn.
Seine Stimme war voller Trauer und sein Gesicht zu einer Maske erstarrt.
»Wir werden Rock auf die Insel bringen, auf der ich Cara gefunden habe. Es ist der einzige, wirklich friedliche Ort, an dem ich Rock haben möchte.«
Cara legte ihrem Gefährten eine Hand auf den Arm, sie spürte seinen Schmerz und wusste, wie schwer es ihm fiel, darüber zu reden. Er sah sie mit traurigen Augen an. »Cara mia«, sagte er leise, » erzähle ihnen von deiner Insel.«
Alle Augen richteten sich auf die schöne rothaarige Frau.
»Sie ist zwar nicht meine Insel, aber sie war fünf Jahre lang mein Zuhause. Es ist, wie Thorn sagt, ein wunderbarer friedlicher Ort.« Sie stockte und suchte Thorns Blick, bevor sie weitersprach. »Es ist wunderschön dort. Thorn sagt, wir können einen Helikopter starten und alle dorthin fliegen. Ich weiß nicht genau, wo sie eigentlich liegt, aber sie scheint mir das Paradies zu sein.« Ihre Stimme war leise geworden, doch jeder am Tisch hatte sie verstanden.
Es war allen klar, dass der Abschied von dem großen Krieger unvermeidbar war.
Lili hatte ihn gewaschen und ihm dann mit Thunders Hilfe seine bevorzugte Kleidung angelegt. Schwarzes Leder. So kannte man ihn und nichts anderes war passender.
Thorn, der nicht nur seinen besten Freund verloren hatte, sondern auch seinen leiblichen Bruder, fühlte sich verantwortlich dafür, Rocks letzten Willen zu erfüllen.
»Er wollte immer verbrannt werden.« Bei Thorns Worten sahen ihn alle an. Thunder nickte. Auch er wusste von diesem Wunsch. »Dann werden wir ihm diesen Wunsch erfüllen«, erwiderte der schwarze Krieger.
»Wir brechen morgen sehr früh auf. Thunder, du fliegst den Heli. Kümmere dich darum, dass er bis dahin startklar ist.« Darauf hin erhob sich Thorn und verließ das Esszimmer. Cara eilte ihm nach. Er brauchte sie, das konnte sie spüren.
Lili und Thunder standen ebenfalls auf, und als sie die Treppe hinauf gingen, flochten sie ihre Finger ineinander.
»Ich kann gut nachempfinden, wie Thorn sich fühlt«, sagte Thunder, als sie in ihrem gemeinsamen Zimmer angekommen waren. »Als Storm verschwand, habe ich geglaubt, nur noch ein halber Mensch zu sein. Er ist zwar nicht mein leiblicher Bruder, aber er könnte mir nicht näher sein, selbst wenn er es wäre.«
Lili, die ihren schweren Zopf löste, sah ihn verständnisvoll an. »Es gibt nur einen Unterschied, Thunder. Wir wissen nicht, ob Storm tot ist. Er könnte genauso gut leben. Das ist immerhin eine Hoffnung, die Thorn nicht hat.«
»Du hast Recht und ich bin mir sicher, ich hätte es gespürt, wenn Storm tot wäre. Aber ...«, er fuhr herum und seine Augen funkelten wütend, »... warum verdammt nochmal kommt er nicht nach Hause?« Zornig schlug er mit der Faust gegen den Türrahmen.
Lili ging auf ihn zu, denn obwohl er gefährlich aussah, wusste sie, er würde ihr nicht ein Haar krümmen. Er würde für sie sterben und für sie durchs
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