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Blutsbrüder: Ein Berliner Cliquenroman (German Edition)

Blutsbrüder: Ein Berliner Cliquenroman (German Edition)

Titel: Blutsbrüder: Ein Berliner Cliquenroman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ernst Haffner
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aussieht wie sein Auftraggeber. Der Beamte lächelt ironisch. Er hat es gewußt, wieder einmal der große Unbekannte. Daß die Jungens nicht endlich mal auf eine andere Ausrede verfallen! Auf der Wachstube wird das Protokoll abgeschlossen. „Bleiben Sie bei Ihrer Aussage, daß Sie den Schein für einen Fremden einlösen sollten?“ „Ja.“ „Sie bleiben die Nacht hier, morgen früh kommen Sie aufs Präsidium“, sagt der Beamte und schiebt Ludwig in den Arrestantenraum.
    In Ludwig kreisen und wirren die Gedanken. Soll er sagen, daß er nicht Müller heißt, daß er aus der Fürsorge geflüchtet ist? Dann glauben sie ihm gar nichts mehr. Dann halten sie ihn bestimmt für den Dieb. Aber herausbekommen wird die Polizei es ja doch, daß er einen falschen Namen angegeben hat. — Eine endlose Nacht auf einer harten Holzbank in Gesellschaft schnarchender Betrunkener, aufgegriffener Straßenmädchen und eingelieferter Verbrecher. Ewiger Taumel zwischen Halbschlaf und Aufschrecken, wenn Zugang kommt. Endlich, in den ersten Morgenstunden werden die Häftlinge, von Schupos eskortiert, hinausgeführt. Ab in den die Polizeireviere abgrasenden Lumpensammler , in die Grüne Minna . Das Auto ist bereits überfüllt, als Ludwig hineinbugsiert wird. Er steht zwischen zwei betrunkenen Weibern, die ihn ungeniert nach Zigaretten abtasten. Der Wagen holpert davon. Nach dem Polizeipräsidium. Im weiten Lichthof machtdas Auto eine elegante Wendung und hält unmittelbar vor einer Kellertreppe. Wieder von Schupos bewacht wird die Fracht, nach Geschlechtern getrennt, in eine große Gemeinschaftszelle geführt.
    Stunden und Stunden vergehen. Die Ausgekochten haben sich bereits mit ihrem Künstlerpech abgefunden und tauschen gegenseitig Erfahrungen aus, die sie in den verschiedenen Gefängnissen machen konnten. Auch Vor-Urteile werden gefällt. „Wat haste jemacht?“ „’n Freier die Brieftasche gezogen“, antwortet ein befragter Strichjunge. „Vorbestraft?“ „Nee.“ „Na, zwee, drei Monate mit Bewährung“, lautet das Vor-Urteil. Ein Wachtmeister kommt und ruft einige Häftlinge auf. Darunter auch Erich Müller ; zum Vernehmungsrichter.
    Ein kaltes, kahles Behördenzimmer. Am Schreibtisch, eilig und augenglasfunkelnd, der Vernehmungsrichter. Abseits eine protokollierende Stenotypistin, jung und angenehm, ein leichter Duft von Puder und guter Seife weht zu Ludwig herüber. „Sie sind der junge Mann ohne Papiere und nennen sich Erich Müller?“ beginnt der Richter. „Geboren am … wohnten zuletzt … stimmt’s?“ „Jawohl“, antwortet Ludwig und sieht auf die weißen spitzen Finger der Stenotypistin, flink und knapp spannen sie einen neuen Bogen in die Maschine. „Und wie war die Geschichte mit dem Gepäckschein? Erzählen Sie mal ausführlich.“ „Erich Müller“ erzählt, der Richter steht breitbeinig am Tisch und hört scheinbar angespannt zu.
    Ludwig hat seine wahrheitsgetreue Schilderung beendet.Im Zimmer ist es still. Von der Straße dröhnt Lärm des Alexanderplatzes herauf. Die Stenotypistin hat einen kleinen Schönheitsfehler am Nagel des rechten Zeigefingers entdeckt und nimmt sich vor, ihr teures Geld zu einer sorgfältiger arbeitenden Maniküre zu tragen. Der Richter schweigt noch immer und biegt ein metallenes Lineal zu einem Halbkreis. Dann, ganz plötzlich und hart platzt die Frage an Ludwig: „Also Sie bleiben dabei, Erich Meyer zu heißen, nicht wahr?“ Ludwig antwortet mit einem leisen „Jawohl“. Eine kleine Pause. „So, da hätten wir Sie ja ertappt!“ Der Richter setzt sich triumphierend. Ludwig, selbst die Stenotypistin blicken fragend auf. „Sie gaben zu Protokoll, Erich Müller zu heißen. Eben frug ich Sie, ob Sie dabei bleiben Erich Meyer zu heißen. Auch das bejahten Sie. Wieviel Namen haben Sie denn eigentlich?“ Der Richter lehnt sich zurück. Ludwig strömt das Blut mit einer Schnelligkeit zu Kopf, daß ihm schwarz vor Augen wird. Die Stenotypistin lächelt dumm. Jetzt hat auch sie den Trick ihres Chefs bemerkt. „Ich mache Sie darauf aufmerksam, daß die Angabe falscher Personalien streng bestraft wird. Wollen Sie jetzt also gefälligst die Wahrheit sagen.“ Ludwig krallt seine Fingernägel in das Holz des Stuhlsitzes, die Stimme des Richters klingt weit entfernt. „Kann ich einen Schluck Wasser … haben?“ Die Stenotypistin bringt es. Der Richter wartet geduldig. Er weiß, seine Saat wird aufgehen. — „Ich heiße Ludwig N… und bin aus der Fürsorge in H…

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