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Blutsbrüder: Ein Berliner Cliquenroman (German Edition)

Blutsbrüder: Ein Berliner Cliquenroman (German Edition)

Titel: Blutsbrüder: Ein Berliner Cliquenroman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ernst Haffner
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werden. „Eine ganz ungefährliche Kiste. Der wird sich hüten und Krach machen, wo er doch verheiratet ist und Kinder hat“, schließt Fred seinen sauberen Vortrag.
    Ganz langsam, Schritt vor Schritt setzend, kommt Heinz in das Lokal. In seinen Augen liegt körperlicher Schmerz und Angst vor dem Spott der Kameraden. Fred will auch gleich loslegen: „Na, du Eunuche!“ Aber kurz und bestimmt verbietet Jonny es. Heinz erzählt, daß der Arzt der Rettungsstelle ihn ins Krankenhaus schaffen lassen wollte. Nur auf Heinz Einwand,daß er zu Hause sehr gute Pflege habe, habe der Arzt ihn endlich gehen lassen. — Fred drängt zum Aufbruch und entschließt sich, auch noch Georg und Walter mitzunehmen, um ganz sicher zu gehen. Ludwig und Heinz sollen um elf Uhr bei Schmidt sein.
    Heinz kann sich vor Müdigkeit und Schmerzen kaum noch aufrecht halten und nimmt Ludwigs Vorschlag, schon jetzt in eine Herberge zu gehen, dankbar an. Sie werfen ihre Groschen zusammen. Es reicht gerade noch für Heinzens Schlafgeld. — —



Ludwig steht vor dem Schaufenster einer Aschingerfiliale am Stettiner Bahnhof und träumt sich in den Besitz wenigstens einer der ausgestellten mächtigen Würste. „Die würden det janich mal merken, wenn eene fehlt …“ Ein Bursche stellt sich neben Ludwig. Wohl ein paar Jahre älter, auch ordentlicher gekleidet. Er beobachtet Ludwig, beguckt die Auslagen, sieht wieder auf Ludwig. Dann: „Kohldampf, was? … Willst du dir ’n Fuffziger verdienen?“ „’n Fuffziger?“ fragt Ludwig, „womit denn?“ Der Bursche zeigt einen Gepäckschein von der Handgepäckaufbewahrung des Stettiner Bahnhofes. Ob Ludwig den Koffer abholen wolle. Er, der Besitzer des Scheines könne hier von der Omnibushaltestelle nicht weggehen, jeden Augenblick müsse sein Freund mit einem Omnibus kommen. Gut. Ludwig nimmt den Schein und eine Mark, davon soll er die Gebühr bezahlen, der Rest gehört ihm. Macht einmal Erbsensuppe mit Speck und mindestens ein halbes Dutzend Gratisbrötchen, meditiert Ludwig auf dem kurzen Weg zum Bahnhof. Oder ein Paar Wiener zu fünfundzwanzig Pfennig und für den Rest des Geldes Zigaretten. Noch besser, sagt er sich und gibt dem Beamten den Gepäckschein: „Ein Koffer“. Der Beamte kommt zurück ohne Koffer. „’n Augenblick mal“, und verschwindet wieder.
    Ein, zwei Minuten, da taucht der Beamte wieder auf und zeigt auf Ludwig. Von hinten berührt jemand Ludwigs Arm: „Kommen Sie mal mit.“ Ein Schupo der Bahnhofswache. Der Beamte der Abfertigung übergibt den Dienst einem Kollegen und geht ebenfalls mit zur Wachstube. Der wachhabende Beamtehört zuerst den Gepäckbeamten. Der erklärt: „Der Gepäckschein, den dieser junge Mann einlösen wollte, ist seit heute morgen als verloren gemeldet. Der Verlierer gibt an, die Brieftasche, in der sich der Schein befand, sei ihm auf der Straßenbahn von einem Taschendieb gestohlen worden.“
    Ludwig fährt auf: „Ich nicht … ein Fremder, vor Aschinger …“ „Immer der Reihe nach“, unterbricht der protokollierende Beamte. „Haben Sie Ausweise über Ihre Person bei sich, Paß oder Meldeschein?“ fragt der Wachhabende. „Nein, nicht bei mir“, erwidert Ludwig. „Also, Sie heißen?“ Ludwig schweigt. Soll er seinen richtigen Namen angeben? Dann liefern sie ihn wieder in die Fürsorge ein. Nein, vielleicht lassen sie ihn laufen, wenn er einen Namen angibt, der nicht im polizeilichen Fahndungsblatt steht, denkt Ludwig naiv. „Erich Müller“, sagt er dann schnell. Der Beamte schreibt. Weiter gibt Ludwig irgendein Geburtsdatum, vollkommen aus der Luft gegriffene Personalien an. „Wohnung?“ fragt der Beamte. „Obdachlos, erst gestern auf Arbeitssuche nach Berlin gekommen.“ „Wo haben Sie denn Ihre Papiere?“ „Hab’ ich … hab’ ich auf der Reise verloren.“ Der Beamte protokolliert gemächlich. „So, nun erzählen Sie mal, wie die Sache war.“ Endlich kann Ludwig loslegen. Er schildert mit solchem Eifer, daß der Beamte nicht umhin kann, auf das Verlangen Ludwigs einzugehen, ihn durch einen Beamten an die Haltestelle vor Aschinger bringen zu lassen, um den Auftraggeber festzustellen. Zumal der Trick, den heißen Gepäckschein durch einen Unbeteiligten einlösen zu lassen, nicht gerade neu ist.
    Im großen Bogen, um den eventuell noch wartendenSpitzbuben nicht zu verscheuchen, nähern Ludwig und ein Zivilbeamter sich der Stelle, wo Ludwig angesprochen wurde. Er guckt sich die Augen aus, keiner ist da, der auch nur entfernt so

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