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Blutsbrüder: Ein Berliner Cliquenroman (German Edition)

Blutsbrüder: Ein Berliner Cliquenroman (German Edition)

Titel: Blutsbrüder: Ein Berliner Cliquenroman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ernst Haffner
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und überprüft den Inhalt des Paketes sorgfältig auf versteckte Kassiber. Er findet aber nur Kuchen, Schokolade, Wurst, Zigaretten und eine Tüte Zucker. Ludwig, als Untersuchungsgefangener, darf alles mit in die Zelle nehmen. Nicht nur der Besitz der Lebensmittel macht ihn so glücklich, so strahlend froh. Nein, die Tatsache, daß die draußen, daß Jonny und die anderen Jungens an ihn denken und sofort nach Erhalt des Kassibers das Paket schickten, daß sie ihn nicht links liegen ließen, wo er nicht mehr unter ihnen war, das macht ihn so froh. Behutsam legt er Kuchen, Wurst und alles andere in das Wandschränkchen. Und von den hundert Zigaretten soll der Kalfaktor noch einmal zehn Stück für die prompte Besorgung haben. Auch von den anderen Sachen will er ihm, wenn der Wachtmeister es erlaubt, abgeben.
    Eben will er die Zuckertüte aus dem Karton nehmen, etwas ungeschickt faßt er zu: die Tüte öffnet sich, der weiße Zucker regnet in den Karton. Halb so schlimm. Nein, gar nicht schlimm! Gut, daß es so kam! Ludwig hält die leere Tüte und guckt mit großen Augen in sie hinein. Das Innere des Tütenpapiersist beschrieben! Jonnys Handschrift. Die Tüte ist ein fabelhaft ausgeknobelter Kassiber. Mit dem Rücken lehnt Ludwig sich an die Zellentür: so kann ihn niemand durch den Spion beobachten. Dann löst er die Tüte vorsichtig an den Klebestellen auseinander. „Was ist los mit Dir, alter Junge? Was für ein Gepäckschein? Der Zettel, den Du uns schicktest, ist unverständlich. Warum bist Du hochgegangen? Weil Du aus der Fürsorge getürmt bist? Oder hast Du wirklich etwas mit einem Gepäckschein angestellt? Besuchen können wir Dich ja nicht. Erstens weil wir keine Verwandte sind, und dann, besser ist besser, nicht? Laß auf jeden Fall auf demselben Weg von Dir hören. Schreibe aber nicht direkt an uns, damit die Polizei nicht von uns erfährt. Wenn sie Dich wieder in die Fürsorge bringen, türme, türme! Wir erwarten Dich. Dein Jonny, auch Tante Else genannt, und alle Blutsbrüder.“
    Ludwig liest den Kassiber, bis er ihn auswendig aufsagen kann, zerreißt die Tüte und wirft die Fetzen in den Abort. Die Jungens! Ach, die Jungens! Und der Jonny! Das sind doch Kameraden! Die denken an einen, wenn man im Dreck sitzt. — Bei der Mittagausgabe will er dem Kalfaktor die zugedachten Zigaretten zustecken. Verdammt! Es ist ein anderer. Wer weiß, ob dem zu trauen ist. Nun ist es Essig mit weiteren Nachrichten an Jonny.
    Drei Wochen vergehen im ewigen Einerlei der Gefängnishausordnung. Da wird ihm die Anklageschrift des Jugendgerichtes zugestellt. Diebstahl einer Brieftasche; Inhalt: Ausweise auf den Namen Soundso, neunzig Mark baren Geldes und ein Gepäckschein. Ferner intellektuelle Urkundenfälschung, weil er das Protokoll mit einem falschen Namen unterzeichnet hatte. Vergehen und Verbrechen nach Paragraphen … Einige Tage später folgt bereits die Ladung zum Termin vor dem Jugendgericht in der Neuen Friedrichstraße. Einen Tag vor dem Termin heißt es wieder: „Machen Sie sich fertig, Sie kommen zum Polizeipräsidium.“ Abmeldung beim Vorsteher, Abgabe der Anstaltssachen. Dann wieder Transportauto, Hammelstall im Präsidium, Aufnahmezelle und Einzelzelle. Am nächsten Morgen: „Machen Sie sich fertig, Sie werden zum Termin geführt.“
    Ein unterirdischer Gang verbindet das Präsidium mit dem Jugendgericht. „Geben Sie den Diebstahl zu?“ „Nein.“ Beweisaufnahme. Zeugen. Der Bestohlene, der Beamte der Gepäckaufbewahrung und der Schupo, der ihn verhaftet hatte. Auch ein Vertreter der Jugendbehörde ist zugegen. Alles klappt reibungslos. „Der Herr Staatsanwalt, bitte.“ „… Deshalb beantrage ich …, zusammenzuziehen in eine Gesamtstrafe von vier Monaten Gefängnis.“ „Angeklagter?“ „Ich war es nicht, Herr Richter, der Fremde gab … “ „Haben Sie sonst noch etwas zu sagen?“ „Nein.“ „Das Gericht wird beraten.“ „Im Namen des Volkes: Vier Monate Gefängnis unter Anrechnung der Untersuchungshaft … dreijährige Bewährungsfrist,Überweisung an die Fürsorgeanstalt in H. … Angeklagter, nehmen Sie das Urteil an?“ Ludwig überlegt. Nimmt er nicht an, bleibt er weiter in Haft. Nein, nur raus, wenn auch in die Anstalt. „Ich nehme es an.“ „Rechtskräftig um elf Uhr vier Minuten.“ — Zurück zum Präsidium, in die Zelle. Nun kann Ludwig warten, bis er nach H. transportiert wird. — —



Es mag herrlich sein, sich am Ostsee- oder Wannseestrand den nackten Bauch mit

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