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Blutsbrüder

Blutsbrüder

Titel: Blutsbrüder Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ravensburger
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er den Zettel entschlossen zurück in die Schublade. Nicht mein Problem, denkt er, ich komme nicht wieder. Ohne einen Blick verlässt er das Zimmer.
    Als er die Wohnküche erneut betritt, hat sich sein Vater aus der Couch erhoben und den Ton am Fernsehgerät lauter gedreht.
    Darius will gehen, die Wohnung verlassen, als der Vater ihm unvermittelt den Kopf zuwendet, sich umdreht und gleichmütig sagt: »Verschwinde.«
    Bevor Darius reagieren kann, fügt er hinzu: »Mein Sohn mit einem Weib mit bunten Haaren. Mit einem Weib, das aussieht wie ein Mann.«
    Danach kehrt ihm der Vater wieder den Rücken zu.
    Wortlos legt Darius die Wohnungsschlüssel auf ein Bord, neben eine Vase ohne Blumen, legt sie so langsam ab, dass kein Geräusch entsteht, kein Klirren. Ein letztes Mal schaut er sich um.
    Ihm ist, als grüßten ihn die abgewohnten Möbel. Im Fernsehen wird Fußball übertragen, ein Spiel der Bundesliga.
    Nachdem Darius »tschüss, mach’s gut« gesagt und keine Antwort bekommen hat, schließt er behutsam die Küchentür. Gedämpft hört er den Aufschrei nach einem erzielten Tor und horcht, ob sein Vater noch einmal nach ihm ruft.
    Doch auch als der Jubel verebbt, vernimmt er nur die Geräusche des Spiels, die ihm plötzlich erscheinen, als kämen sie aus einer Welt, mit der er nie etwas zu tun gehabt hat. Einer Welt, die ihm, als er die Wohnung verlässt, vorkommt wie ein böser Traum, aus dem er soeben erwacht ist.
    Die folgenden Tage verbringt Darius mit Rike und schwänzt den Unterricht.
    Sie treffen sich schon am Vormittag, meist an einem zufällig ausgewählten U-Bahnhof, suchen sich ein Café und frühstücken lange. Obwohl sich Rike nie einladen läss t – sie hat wenig Geld und muss sich andauernd etwas leihen, von Freunden, die Darius nicht kennt, und auch nicht kennenlernen möcht e –, überzieht er sein Konto.
    Gemeinsam besuchen sie Orte, an denen er nie vorher gewesen ist, einen vietnamesischen Großmarkt, das Planetarium, wo sie sich in der Dunkelheit unter dem weiten, leuchtend dunklen Sternenhimmel küssen. Sie sind, als es hell wird, beklommen, wagen kaum, einander in die Augen zu sehen, fassen sich dennoch bei den Händen, rennen, kugeln einen Hang hinunter, liegen im Gras. Spüren die in der Dämmerung langsam abnehmende Hitze, schauen den beinahe vollen Mond an, steigen nachts in ein Schwimmbad ein, baden, unbemerkt und nackt, kehren einander den Rücken, als sie sich ankleiden. Durchstreifen tags darauf Teile der Stadt, die noch keiner von ihnen kennt, schmuggeln sich mit einer süddeutschen Schulklasse in die Oper, lauschen während des ersten Akts der eigentümlichen Musik, dem seltsamen Gesang, bestaunen während der ersten Pause das Publikum. Rike: »Zombies, oder? « – Darius: »Alle außer uns.« Sie verschwinden, als das Orchester wieder zu spielen beginnt.
    Reden, während sie unterwegs sind, viel. Haben, wenn sie schweigen, das Gefühl einer bisher ungekannten Gemeinsamkeit. Unterhalten sich über ihr Leben, die Zukunft, ihre Pläne. Dinge, über die Darius noch nie mit jemandem so ausführlich gesprochen hat. Nur selten weht ihn zwischendurch das Gefühl an, es sei falsch, mit Rike zusammen zu sein.
    Darius erzählt von der Schule und wie schwer sie ihm oft gefallen sei und dass er sich dennoch vorgenommen habe, bis zum Abitur durchzuhalten, um danach zu studiere n – »sieht vielleicht grade nicht so aus«, ergänzt er feixend.
    Unvermittelt fragt sie, dabei wählt sie ihre Worte mit Bedacht: »Wie kommst du, ich meine, eigentlich mit den ganzen Türken bei euch aus?«
    Darius zuckt zusammen. Prüfend schaut er Rike an.
    Er lässt die Szenen im Schwimmbad und auf dem Rummel Revue passieren und überlegt, wie schnell sich die Gruppe danach überworfen hat. Nach einer Weile antwortet er nachdenklich: »Mal so, mal so. Streit gab’s oft. Bin ja mit denen aufgewachsen. Und sie waren in unserm Viertel immer in der Mehrheit. Na ja, und mein bester Freund, der hat einen türkischen Vater.«
    Auch Rike wartet einige Zeit mit ihrer Antwort.
    »Du meinst den, der dir in der S-Bahn geholfen hat?«
    Darius nickt.
    »Würd ich gern mal kennenlernen.«
    »Tja.« Darius hebt die Schultern und schüttelt leicht den Kopf. »Ist im Moment eher ein bisschen schwierig.«
    Rike mustert ihn eingehend und verzichtet auf weitere Fragen.
    Stattdessen sagt sie leise: »Weißt du, ich frage, wei l … da, wo ich aufgewachsen bin, erst in einem Dorf, dann in einem Plattenbau am Stadtrand, da waren die

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