Blutschuld
hinüber.
Phin hob den Arm und zeigte auf sie. »Wagen Sie das ja nicht!«
»Herr im Himmel, sie verblutet!«, stieß Joel hinter ihm durch zusammengebissene Zähne hervor.
Agatha hatte nur einen mitleidigen Blick für Phin übrig. »Machen Sie jetzt bloß keine Dummheiten, mein Junge. Momentan sind wir die Einzigen, die Ihre Mutter noch am Leben erhalten.«
»Blödsinn! Sie …«
Der Hexer in der Schürze schnipste mit den Fingern, und Gemma warf den Kopf in den Nacken und schrie vor Schmerz. Blut benetzte Lillians bleiche Wangen, ein feiner Nebel, der sich rot wie Zorn über den Blick aus ihren von Gold durchzogenen grünen Augen legte.
Heillose Angst schnürte Phin die Brust zusammen und presste in einem Aufkeuchen alle Luft aus seinen Lungen.
»Wie ich schon sagte«, meinte Agatha ruhig. Sie schien gar nicht zu bemerken, dass gleich darauf Mordlust Phins Züge verzerrte. »Marco, da hast du dein Blut. Lass alles andere und mach voran. Greg, die Zeugen!«
Der Mann mit den dunklen Augen starrte Phin an. »Aus dem Weg!«, sagte er.
Phin ballte die Fäuste. »Nur über meine Leiche!«
Hinter ihm keuchte Gemma auf. »Lass sie«, brachte sie heraus. Schmerz verzerrte ihre Stimme. Die Worte klangen verwaschen. »Sollen sie es … versuchen. Sie wollen dasselbe wie … Carson.«
Zum ersten Mal huschte etwas wie Überraschung über Agathas Gesicht. Aber sie stritt es nicht ab. Im Gegenteil. »Ja«, bestätigte sie knapp. »Und Ihnen läuft die Zeit davon. Also beeilen Sie sich besser!«
Gemmas Lachen kreischte in Phins Ohren. Seine Nackenhaare sträubten sich. Zu viel Schmerz für ein Lachen. Er wandte sich wieder zu seinen Müttern um, sah Lillians warnenden Blick, und blieb, wo er war.
»Ich kann das nicht«, flüsterte Gemma kraftlos. »Keiner hier … ist der Richtige.«
»Nicht der Richtige?«
»Sie … erwählt sich ihr Gefäß.«
Phin schaffte drei Schritte, ehe die blauäugige Spülkraft den Arm in seine Richtung ausstreckte und die Finger spreizte. Schlagartig spannte sich jeder Muskel, jede Muskelfaser in Phins Körper an. Bogensehnen kurz vor dem Abschuss. Phin hatte das Gefühl, ihm rissen die Muskeln gleich von den Knochen, die Gelenke müssten brechen. Seine Kiefer mahlten krampfhaft, um den Schmerzensschrei zurückzuhalten. Blut rauschte in seinen Ohren.
Agatha musterte ihn mit zusammengekniffenen Augen. »Ich will’s dir erklären, langsam, Wort für Wort«, sagte sie, ihre Stimme ganz Gelassenheit. »Wir haben die ganze Zeit auf eine Gelegenheit gewartet, diese vermaledeite Quelle zu bekommen. Wir dachten, es handele sich um einen Gegenstand.« Ihr Blick ging zu Gemma hinüber. »Offensichtlich haben wir uns geirrt.«
»Offensichtlich«, spie Phin ihr entgegen.
»Das wird uns aber nicht aufhalten. Wir können uns die Quelle auch mit Gewalt nehmen.«
Phin krümmte sich unter der Magie, presste einen Fluch zwischen zusammengebissenen Zähnen heraus, abgehackt, unverständlich, während es schien, als wolle sich sein Körper selbst in Stücke zerreißen.
Langsam schüttelte die alte Frau den Kopf. »Hör auf, dich zu wehren, dummer Junge! Miss Ishikawa war ein echtes Problem. Dann hast du dich eingemischt, und wir mussten handeln.«
Endlich machte es in seinem Verstand Klick! Phin erkannte mit einem Mal das ganze Bild und sah rot. »Sie waren es, die versucht hat, sie zu töten!«
»Nun, das war Mark, um genau zu sein.« Agathas dünne Lippen umspielte ein noch dünneres Lächeln. Zornig. »Zweimal sogar. Sie hat seine Leiche im Kleiderschrank entsorgt, ausgerechnet dort! Uns blieb nichts anderes übrig, als seine Leiche loszuwerden, ehe du, mein Junge, auch noch über sie stolperst. Wir hatten gehofft, wir greifen uns die Quelle und sind weg. Aber he, keine Chance! Der andere Scheißkerl hat uns genau das Ablenkungsmanöver geliefert, das wir gebraucht haben.« Agatha wirbelte herum. »Marco, leg endlich den Schutzzauber um den Raum, verdammt! Greg!« Sie gab ihre Befehle mit einer Stimme wie ein Peitschenknall. »Die Zeugen! «
Die blauäugige Spülkraft nahm die Hand herunter, und Phin brach zusammen. Unsanft schlug er auf dem Boden auf. Ihm dröhnte der Schädel. Entschlossen schritt der Hexer durch die Schwimmhalle auf Jordana zu. Die Sängerin schrak zusammen, versuchte wimmernd, sich so klein wie möglich zu machen. Sie wich zurück, bis die gekachelte Wand sie stoppte, und drückte sich dagegen, als ob sie darin verschwinden wollte.
Derweil kniete Marco sich
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