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Blutschuld

Blutschuld

Titel: Blutschuld Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karina Cooper
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entschlossener Zug. »Können Sie sie beschützen?«
    »Fürs Erste«, erwiderte Liz sanft. »Aber wir müssen hier raus. Mrs.   Clarke braucht dringend einen Arzt, und Cally ist los, um Hilfe zu holen.«
    Das alles war zu viel für Phin. »Halten Sie sie am Leben«, sagte er rau, »bitte!«
    Liz verlagerte ihr Gewicht von einem Bein aufs andere. Aber sie sagte nichts.
    »Ich werde jetzt diesem Spuk ein Ende setzen«, erklärte Phin und wandte sich an Joel. Er fixierte ihn mit einem Blick, so hart und unnachgiebig, dass der Mann zusammenfuhr. »Auf die eine oder andere Art. Ich sorge für die nötige Ablenkung, und Sie bringen alle hier heraus. Alle , hören Sie?«
    Lillian schüttelte den Kopf. »Phin!«
    Er zögerte.
    »Sei vorsichtig! Bitte, sei um Himmels willen vorsichtig, er ist   …«
    »Ein Missionar«, unterbrach Phin sie. »Ja, ich weiß.« Dann sagte er: »Ich liebe euch beide. Sehr sogar.« Dann drehte er ihr den Rücken zu. Ihr Blick wurde weich, und Tränen rannen ihr übers Gesicht. Phin aber ließ sich nicht beirren. Er hielt auf die zweiflügelige Eingangstür zu und blieb nur einmal kurz stehen, um die Waffe aufzuheben, mit der die Magiebegabten auf die Geiseln und ihn geschossen hatten. Er steckte sie sich hinten in den Hosenbund.
    Phin kannte dieses Gebäude. Er war hier aufgewachsen. Sein ganzes Leben hatte er damit verbracht, im Bauch des Zeitlos das Labyrinth aus Personal- und Geheimgängen zu erkunden.
    Kein großer Akt, den Scheißkerl hier zu finden.
    Joe Carson. Ein Missionar. Ein Missionar, der eindeutig verrückt war, aber immer noch ein Missionar. Phin war die Art sofort vertraut gewesen, mit der Carson sich bewegte. Die Art, wie er seine Waffe hielt.
    Wie er Blut hatte fließen sehen und dabei keine Regung gezeigt hatte.
    Es erinnerte Phin an Naomi.

KAPITEL 18
    Als Naomi ihr Appartement verließ, simmerte ihre Wut nur noch auf Sparflamme. Eingekocht zu galligem Sarkasmus. Naomi schmeckte den Cocktail aus Gefühlen auf ihrer Zunge, weil er ihr ständig übel aufstieß. Ihr in den Eingeweiden brannte.
    Angst war dabei.
    Die Empörung der Betrogenen.
    Er würde sie nie verlassen? Genau. Er würde ihr nur tief in die Augen schauen und nie und nimmer über die beschissenen Hexenkünste reden, auf die sich seine Familie verstand. Oder über die Magiebesessenen, die er versteckte.
    Oder über die Scheißmordversuche an ihr.
    Naomi zog den Reißverschluss der schillernd blauen Jacke bis zum Kinn hoch. Die teflonbeschichtete Kunstfaser hielt den meisten Regen ab; der hohe Kragen schützte gut vor dem beißend kalten Wind. Unter Naomis Arm, gut im Halfter verstaut, fühlte sich der Colt schwer an, sperrig.
    Sehr beruhigend, so eine Waffe.
    Unter Jacke und Jeans trug Naomi wie eine zweite Haut einen schwarzen Einteiler aus Neoprengewebe. Die Standard-Ausstattung für eine Missionarin im Einsatz. So war man stets gut vor Kälte geschützt, und der Anzug versprach, wo nötig, ein gewisse Griffigkeit. Die Teflon-Beschichtung bot zudem einen gewissen Schutz gegen Angriffe. Aber der Hauptgrund?
    Der Hauptgrund war schlicht, dass diese zweite Haut Naomi vertraut war. Vertrautes brauchte sie momentan ganz besonders.
    Die Straßen waren, je ferner sie der Oberstadt waren, destodunkler. Naomi, die auf dem Treppenabsatz stehen geblieben war, betrachtete mit kritischem Blick die Schlaglöcher vor dem Haus, in dem sie wohnte, den ganzen pockennarbigen Gehweg und den bröckelnden Sockel aller Gebäude ihres und des gegenüberliegenden Blocks. In einem kurzen Anfall von Verschönerungswahn hatte man Bäume die Straße entlang gepflanzt; arme Dinger waren das, dürr, merkwürdig krumm und verwachsen. Die kahlen Äste reckten sie lichthungrig den oberen Ebenen von New Seattle entgegen.
    Gerade genug Sonnenlicht drang von der Oberstadt bis hierher hinunter, um Naomi wissen zu lassen, dass immer noch Tag war. Dass sich die Sonne immer noch mühte, durch die Wolkendecke zu stoßen, die schwer über der Stadt hing und sie mit feinem Nieselregen besprühte. Unterhalb der Mittelstadt war vor allem ebeneneinwärts zur Unterscheidung von Nacht und Tag eine Uhr nötig.
    Autos fuhren nur selten durch Naomis Straße. Das war überall selten, wo man sich in ähnlicher Entfernung zum Karussell befand. Die Menschen, die hier wohnten, waren viel zu sehr mit Überleben beschäftigt, um Autos zu besitzen. Vielleicht war Naomi deshalb ausgerechnet hier eingezogen. Sie liebte und verabscheute beides: die eigentümliche Unruhe

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