Blutschuld
gegen sein Bollwerk aus Ruhe anrannte und ihn aus der Fassung bringen wollte. »Aber wir haben ja eine Menge Heilwasser und -quellen hier.«
Carson schwieg. Dann bellte er ein kurzes, unangenehmes Lachen heraus und richtete sich auf. »In Ordnung, Bürschchen, in Ordnung.« Mit roher Gewalt und einer Kraft, die man bei seinem schlaksigen Körperbau nicht vermutet hätte, wirbelte er Phin herum. Phin würgte, halb erstickt vom eigenen Kragen, als Carson ihn zur Gruppe zurückschleifte.
Er hob die Waffe und zielte auf Jordana, die schrie.
»Alle bleiben genau dort, wo sie sind«, warnte er.
Phin drehte sich um und sah, dass Carson sich abwandte und langsam in Richtung Umkleidekabinen davonging. »Ich hatte gehofft«, sagte er im Gehen, »irgendjemand in dieser Lasterhöhle wäre vernünftig. Aber es scheint, ihr seid allesamt ein sturer Haufen. Ihr leidet und sterbt lieber, als mir zu geben, was ich brauche. Egoistische, gottlose Höllenbrut.«
Phin wischte sich mit dem Ärmel über den Mund. »Sie haben versucht, Alexandra umzubringen.«
Carson lächelte. Leichthin. »Und die reiche Schlampe. Ich habe natürlich gewusst, dass ihr die beiden retten könnt, wenn ihr nur wollt. Was ihr ja tatsächlich auch getan habt.«
»Wir haben sie gerettet, ja«, setzte Phin an. Dann aber schnappte er nach Luft. Denn Carson schwenkte, ganz beiläufig, die Waffe. Der Lauf zielte jetzt nicht mehr auf Jordana, sondern auf Gemma.
»Tja, eine Schande das, wirklich. Ich hatte gehofft, die reiche Schlampe würde euch dazu bringen, die Quelle hervorzuzaubern. Besonders weil doch Naomi West jetzt Bürschchens Flittchen ist, und die beiden miteinander verwandt sind, oder nicht?«
Phin zuckte zusammen. »Sie elender Hurensoh …«
»Wer im Glashaus sitzt, Bürschchen«, ermahnte ihn Carson tonlos. Aber seine Hand umspannte den Griff der Waffe fester. »Weil dir selbst dein Flittchen nicht wichtig genug war, um jemand aus ihrer Familie zu retten, bekommst du jetzt ein bisschen Zeit, noch einmal gründlich darüber nachzudenken. Vielleicht muss ich deinem Erinnerungsvermögen etwas auf die Sprünge helfen.«
Mühsam stemmt sich Phin auf die Füße. Er schluckte das Blut hinunter und sagte verzweifelt: »Aber ich kann Ihnen nicht geben, was Sie wollen!«
»Dann denk mal drüber nach«, erwiderte Carson mit einem Lächeln. »Und denk immer daran, was ich dir gesagt habe: Ich beobachte euch. Also beeilt euch besser«, fügte er hinzu und drückte ab.
Es krachte wie ein Donnerschlag. Einmal. Zweimal.
Schreie, Rufe, Jordanas erschrockenes Kreischen. Am Rande von Phins Blickfeld versuchte jemand sich aus der eng beieinanderstehenden Gruppe von Geiseln zu lösen. Aber was Phin vor allem sah, war Blutrot auf Sonnengelb. Gemmas Augen weiteten sich. Ihre Hände zuckten hinauf, legten sich auf ihren Bauch, und der Schock in ihrem Gesicht verwandelte sich in Trauer.
In Reue.
Sie krümmte sich zusammen. Zeitlupenlangsam, träge wie geschmolzenes, von Rot durchzogenes Gold, verwässert vom blauen Licht, das die Pools zurückwarfen, floss sie zu Boden. Sie schlug auf dem Schiefer auf, ehe Phin seine zitternden Beine dazu bringen konnte, sich in Bewegung zu setzen.
Schluchzend und fluchend ging er neben ihr in die Knie, achtete nicht auf den scharfen Schmerz, den die Nerven seiner Kniescheiben protestierend seinem Gehirn meldeten. Überall war Blut. So viel Blut. So viel Blut, dass er schon nicht mehr wusste, was noch zu tun war.
Gemma wich alle Farbe aus dem Gesicht; ihre Lippen waren angestrengte bleiche Striche, während sie verzweifelt nach Atem rang.
Am ganzen Körper zitternd zog Phin seine Mutter in die Arme.»Handtücher«, verlangte er mit brechender Stimme. Gemma hustete. Blut von ihren Lippen spritzte auf Phins Hemd. Seine Hände badeten darin, bis Phin sich sicher war, er würde nie vergessen, wie warm es sich anfühlte, das Blut seiner Mutter, wie nass, wie geschmeidig seine Konsistenz war. »Handtücher!«, brüllte er.
Keinen Augenblick später war Rook neben ihm, Handtücher von den Poolliegen in den bebenden Händen. »Oh Gott«, war alles, was er zu sagen in der Lage war, seine Stimme dünn und brüchig.
Joel kam herübergerannt. »Ich bin ausgebildeter Ersthelfer!«
Lillian folgte ihm. In der ganzen Schwimmhalle mit ihrer unbarmherzigen Akustik hallten ihre Schluchzer wider, während sie auf vor Schock unsicheren Beinen hin zu ihrer Frau stürzte. Jedes mühsam keuchende Japsen nach Luft, jeder trauernde Laut aus
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