Blutschuld
ihrem Mund zigfach verstärkt.
»Liebling«, presste Gemma mit rauer Kehle und unter Keuchen hervor. Sie hob das Gesicht, schaute zu Phin auf. Ihr Gesicht war eine bleiche Maske aus Schmerz. Ihre Finger krallten sich über der Brust in Phins Hemd. »Liebling, tu das nicht.«
»Ich kann dich doch nicht sterben lassen!«
»Ich sterbe«, hauchte Gemma, die Finger in seinem Hemd verkrampften sich, »und er bekommt gar nichts.«
Phin wurde das Herz schwer. Es schien ihm die Brust sprengen zu wollen. Tränen brannten ihm heiß in den Augen. Schluchzend holte er Luft und zog die Hände seiner Mutter an die Brust, zu den Lippen. Gemma umklammerte seine Hand. »Ich kann nicht«, flüsterte er, »ich kann das nicht!«
»Phinneas … es geht hier … nicht nur um dich, und das … weißt du auch.«
Neben ihm fiel Lillian an der Seite ihrer Frau auf die Knie. Strähnen goldblonden Haars hingen ihr ins Gesicht, während sie aufgelöst und fahrig die zitternden Hände nach der geliebten Frauausstreckte und in Blut fasste. Tränen zogen silbrig glitzernde Spuren in ihr vormals so perfektes Make-up. »Gem.«
»Lily.« Gemma fasste nach Lillians Hand. Sie zog die Hand ihrer Liebsten an ihre Brust, nah ans Herz. Joel hatte Rook die Handtücher aus der Hand gerissen, sich Phin gegenüber neben Gemma gekniet. Jetzt hielt er den Frottee fest auf die Wunde gedrückt. Doch immer noch strömte Blut aus den Schusswunden wie aus einer sprudelnden Quelle. »Du musst es ihm … erklären. Er muss … es verstehen.«
»Du darfst nicht sterben, Liebste«, sagte Lillian. Ihr Lächeln zerriss einem das Herz. Sie strahlte ihre Frau an, hoffnungsfroh. »Du darfst nicht. Du kannst uns doch nicht verlassen, du kannst nicht alles mitnehmen. Wer weiß, was in einer Welt ohne dich geschieht?«
»Wir dürfen … ihm nicht geben, was er … will.« Gemmas Atem ging rasselnd, sie würgte, hustete. Sie stöhnte vor Schmerzen und krümmte sich zusammen. Als ob sie sich in Phins Arme flüchtete. »Wir dürfen das nicht.«
Phin schloss die Augen.
»Clarke!« Rooks Stimme klang mit einem Mal scharf. Merkwürdig. »Ähm …«
»Kümmer dich um sie«, sagte Phin und tauschte einen Blick mit seiner Mutter. Ihre Augen glänzten vor unvergossenen Tränen. Er nickte, als sie seine Wange berührte. »Ich bringe das jetzt in Ordnung.«
»Ähm … Clarke?« Rook ließ nicht locker. Dieses Mal packte er Phin an der Schulter.
»Was?«, fuhr Phin auf und zu dem hageren Mann herum. Sein Blick fiel auf die drei, die durch die Doppeltür den Schwimmbereich betreten hatten und nun näher kamen. Alle drei trugen die Dienstkleidung des Zeitlos . Zwei Männer, eine Frau. Phin runzelte die Stirn. »Agatha?«
Mit hochgerecktem Kinn ließ die Rezeptionistin des Beauty-Bereichs ihren Falkenblick die Halle absuchen. »Wo ist das Missionarsgeschmeiß?«, verlangte sie zu wissen.
Phin knurrte.
Einer der beiden Männer hob eine Handfeuerwaffe, ein riesiges, unhandliches Ding, und zielte auf ihn. Der Mann war groß, hatte blaue Augen und flachsblondes Haar. Er trug immer noch die für Tellerwäscher übliche Schürze. Bedauern zeigte sich auf seinen hübschen, jungenhaften Zügen. »Tut mir leid, Kumpel«, sagte er. »Sie hatten hier wirklich eine gute Operation laufen.«
Zeitweilige . Jetzt erkannte Phin die Männer. Verfolgte Hexer, denen sie im Zeitlos Unterschlupf gewährt hatten und die auf ihre Chance warteten, aus der Stadt zu entkommen. Der Kirche zu entkommen.
Lügner. Verräter. Sie alle.
Agathas blassblaue Augen waren unbarmherzig und kalt wie Eis, während sie das Häuflein von Menschen betrachtete, die der Geiselnehmer hier versammelt hatte, die verwundete Gemma und Lillians blutverschmierte Hände und Kleidung.
Agatha wedelte mit einer knochigen Hand, jede Bewegung eckig, als schnitte sie Luft wie Brot. Ohne es zu merken, ballte Phin die Fäuste. »Legt einen Schutzzauber um diesen Teil der Halle. Bereitet alles vor.« Sie gab ihre Befehle tonlos, frei von jeder menschlichen Regung. Sie war so ganz anders, als man sie im Zeitlos kennengelernt hatte. Zurückhaltend und still war die Frau gewesen, die Phin eingestellt hatte. »Tötet die Zeugen!«, beendete diese Frau jetzt die Reihe ihrer Befehle herrisch und kalt.
Phin sprang auf die Füße, als der dritte Hexer sich in Bewegung setzte und auf Jordana zuhielt. »Scheiße, was soll das hier?«, brüllte Phin. Der Mann bleib stehen, zögerte.
Fragend zuckte sein Blick zu Agatha
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