Blutschuld
hin und wühlte in einem Bündel, das er bei sich getragen hatte. Dabei murmelte er Worte in einer Sprache, die Phin nicht kannte.
Phin nahm seine ganze Kraft zusammen, um sich auf die Hexer zu stürzen. Jetzt oder nie.
Michael Rook kam ihm einen Herzschlag zuvor.
Der drahtige, hagere Mann hechtete los. Greg fluchte, als Rook ihm in den Rücken sprang. Der Schwung seines Angreifers riss den Hexer zu Boden und ineinander verschlungen fielen sie über den Rand des Schwimmbeckens. Wellen schwappten über die Marmoreinfassung. Fast gleichzeitig krachte ein Schuss, und das Echo der Halle verzehnfachte ihn zu einem Donnern, das die feuchte Luft zerschnitt. Weitere folgten, und Kugeln pfiffen Phin um die Ohren. Er wirbelte herum, geriet beinahe ins Taumeln, als der schrille Laut ihm in den Ohren gellte.
Aus dem Augenwinkel sah Agatha ihn auf sich zustürmen und warf sich zu ihm herum. Sie streckte den Arm aus, streckte schon die Finger der runzligen Hand. Aber da hatte Phin sie schon erreicht und sprang sie an. Er fauchte vor Wut und legte die Hände um ihren dürren Hals. Die Aura aus Feuer und alles versengender Hitze, die ihn mit einem Mal umgab, nahm er nicht einmal wahr. Es versengte ihm die Haut.
Er drückte zu. Die Augen der Alten trübten sich, während sie wild die Fingernägel in seine Handgelenke schlug, ihm das Gesicht zerkratzte. Er schob sie weiter, drängte sie zurück, weiter und weiter, bis zum Beckenrand, bis sie über dem Becken hing, dessen blaues Wasser schon über Rook und ihren Komplizen zusammengeschlagen war.
Phin schüttelte die zerbrechliche Gestalt, würgte sie mit vor blinder Wut verschleiertem Blick. »Kannst du sie heilen?«, verlangte er zu wissen. »Kannst du sie am Leben erhalten?«
Die alte Hexe gab erstickte Laute von sich und würgte unter den Händen um ihren dürren Hals schließlich die Antwort heraus: »Nein.«
Phin sah rot. Tief holte er Luft, seine Finger schmerzten, so fest drückte er zu.
Hinter ihm glitt eine der Geheimtüren auf. Er nahm es aus dem Augenwinkel heraus wahr, und sein Kopf fuhr zur Tür herum. Ein Teenager mit olivbrauner Haut schlüpfte durch die Tür, das dunkle Haar voller Spinnweben und Staub.
Eine schmale Hand legte sich um Phins Handgelenk. Er fuhr zusammen. Agathas Körper erschlaffte unter seinen Händen. Der Griff um sein Handgelenk wurde fester. »Mr. Clarke.«
Phins Lippen kräuselten sich.
»Mr. Clarke, lassen Sie sie los.« Liz’ vom Massieren kräftige Finger schoben sich auf seine. »Jetzt ist sie keine Gefahr mehr, Sie können sie uns überlassen. Bringen Sie sie nicht um, Mr. Clarke.«
Agathas Augen traten aus den Höhlen. Die Zunge hing ihr dick geschwollen aus dem Mund. Phin stierte der Hexe ins rot angelaufene Gesicht.
»Phin!« Lillians Stimme. Der Schrei einer Mutter, seiner Mutter, verzweifelt und verängstigt.
Nach zähem Ringen löste Liz Phins um den dürren Hals verkrampfte Finger. Mit einem erstickten Schrei fiel die Hexe rücklings ins Becken und klatschte ins Wasser.
Phin drehte sich um. Um ihn war reines Chaos. Es gab kein unten mehr, kein oben. Er wusste nicht mehr, was zum Teufel eigentlich vorging. Magiebegabte, die ihn hintergingen. Magiebegabte, die ihm halfen. Seine Mutter … oh Herr im Himmel, hilf, meine Mutter!
Der Junge, einer der Neuzugänge unter den Zeitweiligen, kniete an Gemmas Seite. »Ich brauche ihr Blut dafür«, sagte er, als er den Finger in die Blutlache tunkte. »Tut mir leid.«
»Er wird sie beschützen«, hörte er Liz hinter sich erklären. Sie berührte seine Schulter. »Mr. Clarke …«
»Ich verstehe das alles nicht.« Phins Blick wanderte über die bunt gemischte Gruppe aus Zeitweiligen hinüber zu der völlig durchnässten Rezeptionistin des Beauty-Bereichs. Eine Festangestellte, für die er glatt die Hand ins Feuer gelegt hätte. Dann glitt sein Blick weiter, erfasste die ganze Schwimmhalle. Er sah das Gewirr aus kaputten Elektroleitungen, das von der Decke hing, und Jordana, die ausgestreckt auf den Fliesen lag und sich nicht rührte. Er sah Rook, der tropfnass war und sich zitternd über den Zeitweiligen beugte, der Jordanas Kopfwunde von einem Streifschuss verband.
Phin sah das alles. Apokalypse im Paradies.
Auf Lillians viel zu blassem, viel zu angespanntem Gesicht, blieb sein Blick hängen. Er sah tiefe Falten um den Mund und auf der Stirn. Lillian wickelte die blutgetränkten Handtücher fester um Gemmas schweißnassen Körper.
Um Phins Mund erschien ein
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