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Blutschuld

Blutschuld

Titel: Blutschuld Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karina Cooper
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Naomi zog sich an der Fensterkante hoch und glitt durch die schmale Öffnung in die Sauna hinein. Mit einem der Absätze blieb sie an einem Rest Fensterscheibe hängen, verrenkte sich den Knöchel und landete unter hervorgehusteten Flüchen auf dem Boden.
    Sie bekam keine Luft. Wie eine Faust schlug ihr heiße, suppig-dicke Luft auf die Brust. Naomi war, als ersticke sie unter einem heißen Handtuch, als ertrinke sie in flüssiger Lava. Hustend zwang sie sich hoch auf Hände und Knie. »Hallo?«, krächzte sie.
    Gedämpft drangen Stimmen durch das geborstene Fenster, wurden von der drückenden Hitze verschluckt. Naomi lauschte angestrengt in die Stille der Dampfhölle hinein. Alles, was sie hörte, waren leise, ferne Maschinengeräusche und das Zischen von Dampf.
    Scheiße. Das war nicht gut. Gar nicht gut.
    »Falls Sie mich hören können: Hilfe ist unterwegs!« Naomi kroch auf allen vieren vorwärts, kniff die Augen zusammen, strengte sich an, im dichten Dampf etwas auszumachen. Er drang in ihre Lunge, schnürte ihr die Kehle zu, während sich Pullover, Hose und Unterwäsche in Sekundenschnelle mit Feuchtigkeit und Hitze vollsogen. So gut wie blind stieß Naomi den nächsten Schwall Flüche aus, als sich ihr Fuß irgendwo verfing und sie zu Boden fiel. Platt wie eine Flunder lag sie da. Noch ein Fluch. Aber da stießen ihre Hände auf heiße Haut und das nasse Elastan eines Badeanzugs. Auf feuchtes, strähniges Haar.
    Erleichterung keimte in Naomi auf. »Ich habe sie gefunden!«, rief sie.
    Aber war die alte Dame noch am Leben?
    Das Licht über der verschlossenen Tür flackerte.
    Es knisterte elektrisch; ein Lichtbogen sprang über und detonierte in einem Funkenregen.
    Mit einem Schmatzen öffneten sich die Türdichtungen, und die Verriegelung gab nach. Die Tür sprang auf.
    Unter dem Druck der unterschiedlichen Temperaturverhältnisse drinnen und draußen wurde die Tür aufgeschleudert. Herrlich kühle Luft rollte hinter Phin herein und legte sich sanft wie ein Segensspruch auf Naomis verschwitzte Haut. Dampf und Schweiß hatten sie bis auf die Knochen durchnässt. Gierig sog Naomi Sauerstoff in ihre Lungen, während sie sich damit abmühte, die alte Dame in eine sitzende Position zu bringen. Das Gewicht des reglosen Körpers kostete sie fast das Gleichgewicht.
    »Verfluchter Mist   …!«
    »Nur die Ruhe.« Phin war neben ihr, fasste die alte Dame unter, drängte Naomi beiseite. Ihm war vollkommen egal, dass ihr vollgesogener Pullover auf seinem Designer-Hemd nasse Flecken hinterließ. Seine Gesichtszüge wirkten hart, entschieden, der Ton war barsch. »Sie können sie jetzt loslassen«, verlangte Phin ruhig. »Ich habe sie.«
    »Sie atmet nicht.« Naomi beachtete seine Anweisung nicht. Sie beugte sich vor, nahm die Knie der Frau. »Nehmen Sie sie bei den Schultern, und lassen Sie sie bloß nicht fallen.«
    »Ich kann sie doch   …«
    »Tun Sie einfach, was ich sage!«, fauchte Naomi. Er klappte den Mund zu, presste die Lippen aufeinander. Sein Mund war eine harte, dünne Linie. Aber er stritt nicht länger mit Naomi. Zusammen manövrierten sie die Frau durch die Tür, hinaus in erquickend frische, kühle und sauerstoffreiche Luft.
    »Hierhin!«, keuchte Naomi und atmete so tief durch, wie sie nur konnte. »Schnell!«
    Gleichzeitig knieten Phin und sie sich auf die Schieferplatten, um die reglose Frau mit der gebotenen Vorsicht auf den Boden zu betten. Naomi hatte keinen Blick für Phin neben sich. Auchdas hysterische Schluchzen, das von irgendwoher aus der kleinen Gruppe von Menschen zu ihr drang, verbannte sie aus ihrer Wahrnehmung. Sie beugte sich über das Gesicht der Frau.
    Die alte Dame war so schmal und wirkte so verflucht zerbrechlich in ihrem Badeanzug. Die geradezu schon unanständig schrille Farbigkeit des Einteilers betonte die mageren, knochigen Beine und Arme besonders, die daraus hervorstakten. Die Haut der alten Dame war puterrot. Naomi suchte am dürren Hals nach der Schlagader. Es dauerte lange, bis sie sie fand.
    Naomi fühlte einen Puls.
    Gott sei Dank!
    Antrainiertes Verhalten stellte sich mit der gleichen Selbstverständlichkeit ein wie Atemholen. Eine rasche Überprüfung erbrachte, dass die oberen Luftwege frei waren. Naomi überstreckte den Kopf der alten Dame und platzierte den linken Handballen auf der richtigen Stelle des Brustbeins. Sie setzte den Handballen der Rechten auf die Linke und pumpte zwei Dutzend Male kurz und kräftig. Dann hielt sie der Frau die Nase zu, legte die

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