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Blutschuld

Blutschuld

Titel: Blutschuld Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karina Cooper
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Lippen dicht um den Mund der Bewusstlosen und blies ihr gleichmäßig Atemluft ein, bis sich der Brustkorb hob. Dass es ihr vor Augen zu flimmern begann und ihre Lungen protestieren, ignorierte Naomi.
    Ganz nach Vorschrift beatmete sie die Frau ein weiteres Mal.
    Nichts.
    Sie nahm die Herzmassage wieder auf. »Nun komm schon!«, presste sie zwischen zusammengebissenen Zähnen heraus. »Dreiundzwanzig, vierundzwanzig   … komm schon!«
    Ehe sie die Beatmung wiederaufnahm, würgte die alte Dame und hustete dann heftig.
    Phin zog die Frau in eine aufrechte Sitzposition, stützte sie. Sie hustete, würgte, rang nach Luft, keuchte und stieß dabei unverständliche Laute aus. Über ihren Kopf hinweg suchte Phin Naomis Blick.
    In seinem Blick stand unverfälschte, reine Dankbarkeit. Anerkennung.
    Der Blick enthielt viel mehr Wertschätzung, als Naomi angenehm war. Sie hockte sich auf die Fersen und strich strähniges, feuchtes Haar zurück. Bewusst tat sie so, als sei sie damit und mit sich selbst beschäftigt und blickte in eine andere Richtung. Phin Clarkes Dankbarkeit war nichts, was sie gebrauchen konnte.
    Und sie war sich verflucht sicher, dass sie die Fragen nicht beantworten wollte, die hinter dem wortlos gezeigten Respekt bereits lauerten.
    Sie sah zu, dass sie etwas Abstand zwischen sich und Phin legte und dabei möglichst gleichgültig wirkte. Einfach nur erleichtert. Nur eine Erbin wie alle anderen auch, Nullachtfünfzehn also, die ihre gute Tat für den heutigen Tag bereits hinter sich hatte. Rot angelaufen und schweißnass, wie sie war, zog sie ihren Pullover aus und knüllte ihn in den Händen zu einem Ball zusammen. Unterdessen übernahm Phin die Initiative, leichthin und mit natürlicher Autorität erteilte er Anweisungen.
    Selbst so, ausgepumpt und verschwitzt wie er war, das Gesicht mit einem Schweißfilm bedeckt, das hellgraue Hemd fleckig von Schweiß, gehorchte man ihm. Als die Helfer mit der Trage endlich den Poolbereich erreichten und die alte Dame darauf gebettet lag, wandte sich Phin an die kleine Gruppe Menschen, die Zeugen des Vorfalls geworden waren. Er versprach, den Unfallhergang genau zu untersuchen, und erntete ernstes zustimmendes Nicken. Mit demselben Vertrauen in ihn nahmen sie auch seine Ankündigung auf, man werde sämtliche Vorsichtsmaßnahmen ergreifen, die nötig erschienen, und alle automatischen Systeme im Resort überprüfen. Dass er sich um alles kümmern würde, stand in sein Gesicht geschrieben, als wäre es mit Druckerschwärze irgendwo schwarz auf weiß festgehalten. Er war die personifizierte Verlässlichkeit.
    Blabla, Scheißblabla. Naomi riss den Blick von seinen breitenSchultern los und musterte stattdessen die im Poolbereich versammelten Leute.
    Vier Gäste. Sieben Mann Personal; ein paar in der salbeigrünen Livree, die auch der Hexer getragen hatte, die anderen in elegantem Schwarz und Weiß.
    Steckte einer von denen hier mit Joe Carson unter einer Decke? Oder mit dem unbekannten Hexer?
    Oder war das Ganze doch nicht mehr als ein Unfall?
    Naomi erinnerte sich an den Funkenregen über der Tür, sah ihn noch einmal vor sich. Nachdenklich kaute sie an ihrer Unterlippe. Ihr dröhnte der Schädel, Folge der Überanstrengung und der Beule an ihrem Hinterkopf. Für ein paar Schmerztabletten wäre sie glatt bereit gewesen, jemand x-beliebigem hier die Eier abzuschneiden.
    Stattdessen inhalierte sie den stechenden Geruch von erhitztem Chlor und trocknendem Schweiß und beobachtete, wie die kleine Gruppe Zeugen sich zerstreute. Morgen würden alle darüber reden. Es würde Gerüchte geben.
    Man würde Fragen stellen.
    Naomi rieb sich den Nacken und musterte mit zusammengekniffenen Augen zwei Frauen, die im Poolbereich blieben. Geschäftig räumten sie das Chaos aus Handtüchern und zerbrochenem Glas auf. Beide trugen dieselbe hellgrüne Uniform: Kleidung, für genau die Arbeit gemacht, die sich Naomi unter Aufgaben für Hotelpersonal so vorstellte. Saubermachen, Wäsche waschen, bügeln, legen und der ganze alberne Kram. Sie wusste gar nicht so genau, was an Arbeit in einem Resort und Spa wie diesem eigentlich anfiel.
    Die beiden Putzmäuse wirkten nervös. Beunruhigt. Immer wieder sahen sie zu ihrem Boss hinüber, als ob sie an seiner Reaktion auf die Ereignisse abschätzen könnten, wie sie selbst zu reagieren hätten. Vielleicht warteten sie auch einfach nur darauf, dass er ein paar Worte der Beruhigung für sie fände.
    Phin Clarke dirigierte die Handvoll Menschen hinüber

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