Blutschuld
verharmlosend Körperpeeling genannt. Sollte Naomi je wieder Honig riechen, bekäme sie augenblicklich das Kotzen. Dreißig Minuten in Honig eingelegt zu verbringen, war genug für ein ganzes Leben.
Alles, was sie hatte tun können, war gegen die Angst anzulächeln, die an jeder ihrer Nerven- und Hautzellen zerrte. Falls man ihr ansehen konnte, dass dieses Lächeln eher ein Zähnefletschen als Ausdruck von Fröhlichkeit war, so hatte niemand gewagt, etwas in der Art ihr gegenüber zu bemerken.
Während der gesamten Prozedur hatte Naomi bemerkt, wie eine Handvoll Hotelgäste den Schönheitstempel aufsuchte und der Strom an Tagesgästen nicht abriss. Einer der Gäste hatte sichals Michael Rook vorgestellt, ein Typ mit dürren Säbelbeinen, die der Bademantel nur unzureichend verbarg. Dann waren da noch Greta Hollister, eine hübsche Blondine, die schüchtern war und nicht viel sagte, und ein Rotschopf, ein britischer Pop-Star, den die anderen Jordana nannten.
Diese drei waren alles, was Naomi an Gästen in Erinnerung behielt, während die restlichen Namen und Gesichter nach einer Stunde im steten Strom der Tagesgäste miteinander verschwammen.
Gerade tauchte Naomi ihre nackten, abgeschrubbten, gepeelten und enthaarten Beine, die von all den Schönheitsbehandlungen brannten, in ein seichtes, beheiztes Becken ein. Die armen Dinger sollten sich dort von der Tortur erholen. Dabei beobachtete Naomi das unaufhörliche Kommen und Gehen. Das Klientel des Zeitlos kam allein oder zu zweit, manchmal auch in Dreiergrüppchen. Es waren Männer und Frauen, bunt gemischt; sie alle aber waren mit Bademänteln bekleidet, wie auch Naomi einen trug. Wenn Anwendungen vorgesehen waren, die mehr Privatsphäre erforderten oder speziell auf die Person zugeschnitten waren, wurde der Gast zu den dafür vorgesehenen Einzelkabinen geleitet.
Der zynische Teil von Naomis Verstand spekulierte sogleich darüber, was für intime ›Behandlungen‹ das Zeitlos seinen Gästen hinter den Kabinenwänden wohl anbot.
Das Personal arbeitete, als seien sie Glieder, gesteuert von ein und demselben Gehirn. Kein Gast durfte sich allein durch den riesigen Schönheitstempel bewegen. Jeder wurde ohne großes Aufhebens von einer Prozedur zur nächsten geleitet, eine Behandlung ging fließend in die nächste über. Wartezeiten oder Müßiggang gab es nicht: Die Gäste wurden von Spezialist zu Spezialist durchgereicht. Das Ganze ging reibungslos vonstatten, wie ein graziler Tanz. Dennoch entging Naomi der in sich gekehrte Ausdruck auf den Gesichtern der meisten Gäste nicht.
Vielleicht fanden die Leute hier das Ganze entspannend. Naomi fand, dass abgeschaltet es besser traf.
Es kostete sie einige Mühe, nicht spöttisch zu grinsen.
»Nun, Sie sind also die reiche Erbin, von der wir schon so viel gehört haben.« Wasser spritzte bis hinauf zu Naomis Oberschenkeln. Jordana hatte ihre perfekt gebräunten, vom Körperpeeling rosigen Beine ins Nass platschen lassen, nachdem sie sich auf den beheizten Fliesen neben Naomi niedergelassen hatte.
Naomi setzte ein Lächeln auf. »Naomi.« Sie streckte dem Neuankömmling nicht die Hand zur Begrüßung entgegen.
Der Rotschopf hatte es wohl auch nicht mit dem Händchengeben. Dafür hatte die Kleine ein absolut atemberaubendes Dekolleté, auf das das Revers ihres mintgrünen Bademantels einen gerade eben noch schicklich zu nennenden Einblick gewährte. Ein Lächeln erschien auf Jordanas Gesicht, als habe sie keinerlei Mühe damit. Ebenso leichthin setzte sie sich so zurecht, dass der Bademantel das Maximum an Bein enthüllte, das möglich war. »Toller Laden hier, was?«
Naomis Meinung nach war das zu harmlos ausgedrückt. ›Hölle‹ traf es deutlich besser. Nur aussprechen sollte sie das besser nicht. »Toll, genau«, bestätigte sie stattdessen. Wirklich viel zu harmlos. »Kommen Sie öfter hierher?«
»Nein, ist mein erstes Mal.« Verschwörerisch neigte sie den Kopf zu Naomi hinüber und senkte die Stimme. »Aber so ganz unter uns: Wenn es mich in Phin Clarkes Nähe bringt, werde ich in Zukunft alles tun, um öfter hier zu sein.«
Jetzt kostete es Naomi richtig Mühe, nicht laut loszulachen. Sie bildete sich nicht ein, erwähnten Phin Clarke besser zu kennen als diese dämliche Hupfdohle vor ihr. Aber etwas sagte Naomi, dass Phin den rothaarigen Barrakuda nicht einmal mit einer Harpune anvisieren würde.
Geflissentlich überging sie, dass ihr Magen sich meldete: Eine träge Welle rauschte gemächlich an, kaum
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