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Blutschuld

Blutschuld

Titel: Blutschuld Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karina Cooper
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empor. Hastig schluckte sie es hinunter. »Nein. Ganz ehrlich, es war nur ein dummer Unfall.«
    Genau. Zu dumm, dass sie nicht schnell genug aus dem Weg gegangen war. Die Kneipe war verraucht, die Musik irre laut gewesen, und es hatte einen Volltrottel, zwei seiner Kumpel und eine Bierflasche gebraucht, um Naomi von den Füßen zu hauen.
    Sie alle waren im Knast gelandet. Und sie, Naomi West, Hexenjägerin, direkt anschließend hier: im Zeitlos .
    Ein Knast so unerträglich wie der andere.
    Gemma tätschelte Naomi die Hand. »Nun gut. Wir behandeln das, damit es keine Narbe gibt. Bitte hier entlang.«
    Wie aufs Stichwort glitten die Aufzugtüren auf. Alles, was Naomi hatte sagen wollen, schon auf der Zunge gehabt hatte, erstarb, ehe sie es aussprechen konnte.
    Whirlpools. Kleine, intime Jacuzzis. Herrlich bestickte Seiden-Paravents, die sie voneinander trennten, dabei Privatsphäre erlaubten, ohne dass man von der Umgebung gänzlich abgeschottet gewesen wäre: Es gab einem das Gefühl, in Gesellschaft und dennoch allein zu sein. Die einzelnen Jacuzzi-Kabinen waren mitsorgfältigem Abstand zueinander um das zentrale Foyer angeordnet, und zwar so, dass man den Eindruck von Weitläufigkeit gewann, die den Ankömmling ebenso willkommen zu heißen wie mit Exotik zu umgarnen schien. Überall, wo sich ein Plätzchen fand, standen Pflanzen im Raum verteilt, die die nüchterne Atmosphäre abmilderten, die die Verbindung aus Porzellan und anthrazitfarbenem Schiefer sonst verströmt hätte.
    Überall klare Linien, Edelstahl und massives Holz: bei den Sitzgelegenheiten, den Paravents zwischen den Jacuzzis, bei allen Möbelstücken und auch bei den Wannen, die mit dampfendem, grünen Wasser gefüllt waren. Alles zusammengenommen wirkte die Ausstattung des Raumes wie das Zubehör einer eleganten Folterkammer.
    Wieder stieg Naomi Lavendelduft in die Nase, dieses Mal im duftgeschwängerten Dampf gemischt mit anderem, das sie nicht einzuordnen wusste. Eine Duftnote aber stach unter allen hervor, etwas, das roch wie Tee, aber wie Sprit in den Lungen brannte.
    Kurz hielt Naomi inne. Sie wusste ganz genau, dass ihre Augenbrauen gerade wie über der Nasenwurzel zusammengewachsen schienen, konnte aber nichts dagegen tun. »Wow!«, war das Sicherste, was zu sagen sie in der Kürze der Zeit zustande brachte, statt des deftigen Fluchs, der ihr als Erstes über die Lippen wollte.
    Gemmas befriedigtes Lächeln zeugte von Stolz und erhellte ihr ganzes Gesicht. »Ich freue mich, dass es Ihnen gefällt. Diese Etage mag ich ganz besonders.« Sie näherte sich einem wuchtigen weißen Tresen, hinter dem Regal auf Regal folgte. In jedem Regalfach stapelten sich zusammengefaltete Handtücher in den Leitfarben des Zeitlos , in sanftem Lavendelton und Pastellgrün, jedes Handtuch herrlich flauschig und dick.
    Zögernd folgte Naomi Gemma hinüber zum Tresen.
    Hinter diesem stand eine ältere Dame mit schulterlangem grauen Haar und nahm einen Stapel Handtücher aus einem der Fächer. »Guten Morgen, Mrs.   Clarke«, begrüßte sie ihre Chefinund wandte sich dann an Naomi: »Ich hoffe, Sie hatten eine angenehme Nacht, Miss Ishikawa.«
    Überwältigt von den in diesem Raum geballt versammelten Möglichkeiten der Schönheitspflege konnte Naomi nur unbestimmt nicken. Hatten die hier jedem Gast einen Info-Chip verpasst? Wurden hier dem Personal Akten über jeden Kunden ausgehändigt? Ganz plötzlich fühlte sich Naomi noch mehr in der Falle gefangen. Wie eine Ameise unter einem Vergrößerungsglas.
    Naomi kratzte sich am Hinterkopf. Ganz zufällig fanden ihre Finger die Beule, die ihr der Angriff des Hexers eingetragen hatte. Sie drückte gegen die schmerzhafte Stelle, bis der Schmerz wieder durch ihren ganzen Kopf hallte.
    Schmerz half immer.
    »Oh, guten Morgen, Agatha, wie geht es Ihnen?« Gemmas Begrüßung klang sehr mütterlich. Gemma mochte ja wie ein stets um das Wohl der Angestellten besorgter Arbeitgeber klingen, aber sie bewegte sich wie ein General. Mit geübter Leichtigkeit, jede Geste präzise und knapp, fischte sie einen lavendelfarbenen Bademantel aus dem Stoffberg und schlug ihn mit einer einzigen effizienten Bewegung aus.
    »Danke, sehr gut«, beantwortete Agatha die Frage ihrer Chefin. »Wir erwarten die Tagesgäste innerhalb der nächsten Stunde.«
    »Ausgezeichnet! Bitte, meine Liebe, darf ich Ihnen den Bademantel reichen? Seien Sie doch so nett und ziehen Sie sich gleich um, ja?« Ehe Naomi sich dem verweigern konnte, wurde sie auch

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