Blutschuld
manikürten Hand. »He, vielleicht können wir beide ja nachher ein bisschen shoppen gehen. Ich führe Sie gern mal rum, und wir schlendern durch meine Lieblingsläden. Da gibt es einen Friseursalon, der täte Wunder für Ihr Haar, ganz sicher!«
Noch mehr Klamotten. Noch ein Haarschnitt. Noch mehr Geld ausgeben. Das breite Lächeln, das Naomi aufsetzte, ließ ihre Wangen schmerzen. Eilig trat sie den Rückzug an.
Hinter ihr hörte sie noch Jordanas gleichgültiges Seufzen, das verbale Pendant eines Schulterzuckens, und sie dann alles andere als leise sagen: »Mir doch egal, wie viel Geld die hat. Schau sich doch nur einer das Gesicht an!«
Ein ausreichendes Quantum Zeit, und Jordana sähe genauso aus.
Am Tresen erhielt Naomi von der effizienten Agatha ihre Kleidungsstücke zurück. Als diese sie daran erinnerte, dass diegebuchte Massage um Punkt eins beginne, gefror Naomi das Lächeln ein weiteres Mal. Sie schaffte es gerade so in den Aufzug, ehe sie noch die Beherrschung verlor, der ganze Mist war schlichtweg unerträglich.
Sie brauchte eine Auszeit. Irgendwo, egal wo. Man hatte ihr die Haut aufgehübscht, die ganze Naomi rundherum poliert und enthaart, wo Frauen enthaart sein sollten.
Sie hatten sie in eine verfluchte Marmorstatue verwandelt. Sie hatten sie eine reiche, verhätschelte – verdammter Mist – in eine von diesen grauenvoll perfekten Frauen in diesem Schönheitstempel verwandelt!
Zum Teufel mit dem dämlichen Humor ihres Teams. Und zum Teufel mit der sogenannten Entspannung, die man für sie gebucht hatte. Und zum Teufel mit dem Mann namens Joel mit den angeblich magischen Händen!
Das einzige, was Naomi West jetzt brauchte und wollte, war allein mit sich und ihren Gedanken zu sein.
KAPITEL 6
»Zwei Suiten sind nicht mehr belegt; die Gäste haben ausgecheckt.« Phin war auf einem Kontrollgang durch das Resort. In Lillians Stimme, die über den Lautsprecher des Coms unmittelbar in sein Ohr drang, schwang deutlich Resignation mit. »Alexandra und ihr Gefolge natürlich. Sie hat ihr Bedauern bekundet.«
»Ich nehme an, sie ist nach Hause, um sich von ihren eigenen Ärzten behandeln zu lassen«, brummte Phin. Mit einem launigen Lächeln und einem kurzen Nicken ging er an zwei zum Personal gehörenden Privattrainern vorbei.
In diesem Bereich des Spas konnte er nichts Ungewöhnliches entdecken.
Phin hielt das Com ans andere Ohr, als Lillian fortfuhr: »Und dann noch der süße Arzt aus Neuengland.«
Verdammt! Gerade von diesem Gast hatte sich Phin positive Mundpropaganda auf dem anderen Kontinent erhofft. Phin blieb mitten im Flur stehen und kniff sich in den Nasenrücken. »Was für einen Eindruck hat er beim Auschecken gemacht?«
»Er wirkte sehr gelassen. Er hat auch keinerlei Missfallen geäußert, im Gegenteil: Er hat den Service und die Reibungslosigkeit der Abläufe ausdrücklich gelobt. Trotzdem ist er ganze vier Tage früher als geplant abgereist. Daraus lässt sich leider mehr als genug schließen.« Im Hintergrund hörte Phin gedämpft das Klicken, das verriet, wie behände Lillians Finger über die Tastatur flogen. Es fiel Phin nicht schwer, sie sich in dem kleinen, aber exquisit möblierten Büro vorzustellen, das gleich neben seinem lag. Kerzengerade säße sie an ihrem Schreibtisch, das Haar wie immer mit elegantem Schwung hochgesteckt.
Das perfekte Bild einer Vorstandssekretärin aus dem letzten Jahrhundert.
Phin presste die Finger auf die brennenden, müden Augen. »Okay«, meinte er dann. »In Ordnung, das ist jetzt keine Totalkatastrophe. Ging es Alexandra gut?«
»Deine andere Mutter hat sich hervorragend um sie gekümmert, ganz wie immer.«
»Ich wollte wissen, ob es ihr gut ging.«
Lillian seufzte kurz. »Sie wirkte mitgenommen. Aber sie ist auf dem Weg der Besserung. Was ist mit den angeblich Magiebegabten, die du gestern Nacht noch rausgebracht hast?«
»Wurden Gott sei Dank alle gut in Sicherheit gebracht. Joel und sein Team waren noch vor Mitternacht wieder zu Hause.«
»Dann hat sich der zusätzliche Fahrer also noch auftreiben lassen«, vermutete Lillian in ihrer pragmatischen Art. Geradeaus wie immer. »Sehr gut. Und was ist mit der Sauna?«
Phin drehte sich um, blickte den Flur einmal rechts, einmal links entlang, ehe er seiner Müdigkeit nachgab und sich erschöpft an die Wand lehnte. In seinem Kopf hörte er noch immer die grimmig hervorgebrachten Worte des Wartungstechnikers. »Sabotage scheint die wahrscheinlichste aller Ursachen.«
Das
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