Blutschuld
los? Raus mit der Sprache!«
»Vielleicht ist es ja gar nichts«, meinte Gemma. Sie lächelte dünn, als Lillian ausführte: »Deine Mutter macht sich Sorgen.«
»Oh, nein.« Phin massierte sich den Nasenrücken. »Nein, nein, davon will ich nichts hören, auf gar keinen Fall!«
»Vielleicht steckt ja wirklich nichts dahinter«, wiegelte Gemma noch einmal ab. Doch es hielt sie nicht mehr in ihrem Sessel. Ihr fein geschwungener Mund verriet, wie sehr sie die Sache beschäftigte. Sie stand auf, stemmte die Hände in die Hüften und blickte Sohn und Ehepartnerin ernst an. Sie runzelte die Stirn. Die steile Falte auf der Stirn zwischen den Augenbrauen kannte Phin nur zu gut. »Es scheint so zufällig und kam förmlich aus dem Nichts. Ich mag nicht glauben, dass es nur um die arme Alexandra ging.«
Lillian zupfte den Ärmel ihrer Kostümjacke zurecht. Es waren knappe, exakte Bewegungen. Ein Zeichen von Frustration. Phin kannte die Signale seiner Mütter, kannte jede der beiden Frauen so gut wie sich selbst.
Beide machten sich Sorgen, waren nervös.
Mit Nachdruck fuhr sich Phin mit Zeigefinger und Daumen über die Jochbeine gleich unterhalb der Augenhöhlen. Den bohrenden Schmerz hinter seiner Stirn vermochte das nicht zu lindern. Was beschäftigte sie eigentlich alle so? Was rechtfertigte die Aufregung? Nichts. Es war nicht mehr als ein beinahe tödlich verlaufener Unfall.
Verdammt noch mal!
»Was ist mit Naomi Ishikawa?«
Mit einem Ruck hob Phin den Kopf und blickte Lillian an. Er kniff die Augen zusammen. »Was soll mit ihr sein?«
»Wer ist sie wirklich?« Mit ihren langen, nicht lackierten Nägeln trommelte sie ein nervöses Stakkato auf die Schreibtischplatte. »Was wissen wir über sie?«
»Aber, Lily, du glaubst doch nicht, sie …«
Phin sprang verärgert auf und unterbrach die beiden Frauen. »Naomi hat mit der ganzen Sache nichts zu tun!«
Lillian runzelte die Stirn; die verräterische Falte zwischen ihren sorgsam mit Augenbrauenstift nachgezogenen Brauen war tiefer als Gemmas Sorgenfalte. »Nein«, sagte sie und schüttelte den Kopf. »Ich habe keine Ahnung, in welcher Verbindung du zu dieser Frau stehst …«
»Ich stehe in keiner …«
»… aber du hast die ganze Angelegenheit unvoreingenommen zu betrachten, anders geht es nicht«, beendete Lillian ihren Satz, die Stimme fest, der Ton hart, als wäre Phins Widerspruch nie über seine Lippen gekommen.
Phin verbiss sich die wütende Entgegnung, die ihm schon auf der Zunge lag. Sein Mund war ein schmaler Strich, so viel Anstrengung kostete es ihn. Er wandte sich ab und studierte angelegentlich die reich gemusterte Goldtapete, die dem Büro eine warme, altmodisch anmutende Atmosphäre verlieh. Er wusste genau, dass er wie ein trotziges Kind wirken musste, das man vor dem Abendessen mit Süßigkeiten erwischt hatte.
Trotzdem war er nicht dazu bereit, zu erklären, warum für ihn Naomi aus der Sache raus war.
Warum er unbedingt wollte , dass sie aus der Sache raus war.
Sanft strich ihm eine warme Hand über die Schulter, über den Rücken. »Phin«, sagte Gemma zärtlich, »Schätzchen. Wir meinen es doch nur gut.«
»Mit dir«, fügte Lillian mit fester Stimme hinzu, »und mit dem Zeitlos . Es steht einfach zu viel auf dem Spiel, Phin, das weißt du.«
»Ja, das weiß ich.« Er seufzte, drehte sich um und legte die Arme um Gemmas Schultern. Er zog sie in eine Umarmung undlegte ihr das Kinn auf den Lockenschopf. Über Gemmas Kopf hinweg traf sein Blick Lillians.
Es bereitete ihm fast schon körperlich Schmerz zu sehen, wie weich ihr Blick war. In ihren Augen stand übervoll die Wärme und Liebe zu lesen, die ihn schon sein ganzes Leben lang umgab.
Trotz der Sorgen, die er sich machte, lächelte er. »Ich weiß, Mutter, und es tut mir leid. Naomi Ishikawa«, fuhr er fort, ehe Lillian etwas sagen konnte, »ist eine Frau, die ganz dringend Gelegenheit und Zeit braucht, um sich zu entspannen. Aber ich wüsste nicht, wie sie hier hätte genug Fäden ziehen können, um dieses Ding an der Sauna zu drehen.«
»Was das angeht, gebe ich dir recht.« Gemma umfasste Phins Unterarme und schüttelte den Kopf. Ihre Locken kitzelten sein Kinn. »Sie ist nicht von der geduldigen Sorte, und ob die Sauna nun ein gezielter Anschlag war oder nicht, das vorzubereiten, hätte Geduld erfordert. Ich habe den Eindruck, Miss Ishikawa regelt die Dinge lieber von Angesicht zu Angesicht. Ihre Nase«, fügte Gemma hinzu, »ist ein deutlicher Hinweis
Weitere Kostenlose Bücher