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Blutschwestern

Blutschwestern

Titel: Blutschwestern Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Aufbau
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und den Aufgaben nicht gewachsen zu sein, die auf ihn warteten.
    »Wirst du heute Abend auf Salas Fest mit mir tanzen?«, fragte Lin hoffnungsvoll und riss Degan aus seinen düsteren Gedanken.
    Er nickte und erhob sich, weil ihm Lins Nähe mit einem Male unangenehm war.
    »Vergiss es nicht, sonst werde ich sehr böse sein!«, rief Lin ihm lachend hinterher, als Degan die Stufen zum Haus hinaufsprang
     und dann dem langen Gang folgte, der zu Tojars und Ilanas Gemächern führte.
     
    Seine Eltern lagen auf Schafsfellen und hatten ein Fünfstockspiel zwischen sich ausgebreitet, als er ihre Räume betrat. Seine
     Mutter winkte ihn nur kurz heran, doch in den Augen seines Vaters konnte Degan den Unmut erkennen, den er bereits befürchtet
     hatte. Tojar legte seine Hölzer zur Seite und erhob sich, um ihm auf gleicher Augenhöhe zu begegnen, während Ilana damit begann,
     das Spiel zusammenzuräumen.
    »Der Prinz von Engil ist endlich eingetroffen. Wir haben kaum noch mit dir gerechnet«, stellte sein Vater knapp fest und sah
     ihm fest in die Augen. Degan wusste, dass Tojar eine Entschuldigung von ihm erwartete, und suchte in seinem Kopf die Worte
     zusammen.
    »Es tut mir leid, Vater! Die Kampfübungen haben länger gedauert, als ich erwartet hatte.«
    Tojar nickte, kannte jedoch Degans Ausreden zu gut, um ihm zu glauben. »Wie seltsam, dass Braam bereits vor einigen Stunden
     heimgekehrt ist.«
    Degan hob entschuldigend die Hände. Braam war in seinen Augen nichts weiter als ein Emporkömmling, der alles dafür tat, zu
     glänzen und Wohlwollen in den Augen des Königs zu finden. Er |274| war der Sohn eines ehemaligen Unterhäuptlings der Taluk, und sein Vater hielt ihn dazu an, nach hohen Ämtern zu streben. Die
     Taluk waren mit Ilanas Erlaubnis vor Sommerwenden nach Engil gekommen und hier heimisch geworden. Sie waren Krieger und Nomaden
     gewesen, doch da Engil seit langem friedlich lebte, hatten sie neue Aufgaben gesucht. Mehr als die gebürtigen Engilianer strebten
     sie nach Macht und Anerkennung. Degan konnte ihrem Ehrgeiz nichts abgewinnen.
    »Der Speichellecker hatte also nichts Wichtigeres zu tun, als zu dir zu kriechen und deine Fersen zu küssen, Vater!«, erwiderte
     Degan geringschätzig. »Noch immer scheint er den Nomadenduft seiner Eltern nicht abgestreift zu haben.«
    »Degan! Du vergisst dich!«, mischte sich nun seine Mutter ein, die sich wie so oft auf die Seite ihres Gemahls schlug. Ihr
     jugendliches Aussehen und ihre langen luftig fallenden Gewänder, die sie schon seit langem gegen die früher üblichen Beinkleider
     und Hemden aus gewalktem Schafsleder getauscht hatte, täuschten über ihre Strenge hinweg. Zwar war seine Mutter eine eher
     ruhige und friedliebende Königin, doch sie stand fest hinter ihrem König und zeigte dies auch offen, wenn es sein musste.
    Degan lief rot an. Immerhin war Tojar einst der Anführer der Taluk gewesen und nur durch die Verbindung mit Ilana König von
     Engil geworden. Tojar hatte jedoch nur wenig Ähnlichkeit mit seiner Taluksippe. Er hatte sogar in Salas Tempel die Priesterweihen
     empfangen und sein Schwert ein für alle Mal beiseitegelegt. Nichts unterschied ihn mehr von den Engilianern, wenn man von
     seiner Körpergröße absah; daher vergaß Degan oft die Abstammung seines Vaters.
    »Es tut mir leid«, sagte er hastig. »Aber Braam ist nun einmal ein kriecherischer Speichellecker, der an der Ferse des Königs
     haftet.«
    Tojar musterte ihn tadelnd. »Und doch wirst du auch ihm gegenüber einst unvoreingenommen urteilen müssen. Der König von Engil
     muss gerecht gegenüber allen seinen Untergebenen sein.«
    |275| Degan starrte zu Boden. Nun würde die ewig wiederkehrende Standpauke folgen, mit der Tojar ihn bedachte, wenn er wieder einmal
     etwas falsch gemacht hatte. Wie jung er noch war, wie viel er noch lernen musste, wie wichtig es war, dass er seinem Volk
     ein Vorbild sein würde. Degan machte sich auf eine ausschweifende Rede seines Vaters gefasst.
    »Du bist jetzt zwanzig Sommer alt. Irgendwann ist die Kindheit vorbei.«
    Degan horchte auf. Tojar sprach mit beunruhigender Ernsthaftigkeit, und als er Ilana ansah und diese nickte, wusste er, dass
     man irgendetwas für ihn beschlossen hatte, wobei man keinen Widerspruch seinerseits erlauben würde.
    »Heute Abend feiern wird das Sommerwendenfest für Sala«, sinnierte Tojar, ohne seinen Sohn direkt anzusehen. »Es ist ein glückliches
     Fest, und dies war nicht immer so.«
    Unruhig trat Degan

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