Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Blutschwestern

Blutschwestern

Titel: Blutschwestern Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Aufbau
Vom Netzwerk:
zu warten. Als er die Schritte der Dienerin auf dem Gang vor seiner Tür verhallen hörte, als die letzten
     Feuerbecken im Haus gelöscht waren, erhob er sich, nahm seinen Beutel und öffnete leise die Tür. Er trat hinaus in den Garten
     und durchquerte ihn zügig. Die Luft war mild und warm, und er spürte augenblicklich, wie sein Herz begann, sich frei zu fühlen.
     Den Hügel rannte er hinab und hielt sich in der Tempelstadt im Schatten der Bäume.
Fort, nur fort von hier
, dachte Degan aufgeregt.
Ich bin frei, niemals mehr werden sie mir sagen, was ich tun soll und wie ich sein muss!
    In der Unterstadt waren noch einige Engilianer unterwegs, und als er Braam erkannte, der volltrunken mit einem Mädchen im
     Arm aus einer Schenke torkelte, kauerte er sich hinter einen Brunnen, bis Braam mit seiner Eroberung in den Büschen verschwunden
     war. |347| Degan sandte ihm im Stillen einen Fluch hinterher. Dann endlich wurde sein Herz ruhig. Er überquerte die Brücke, die über
     den Sandfluss führte, und ging unbehelligt mit gesenktem Kopf vor den Wachen durch das Tor.
    Diese Narren interessiert es nicht, wer Engil verlässt, sie achten nur auf jene, die hineingelangen wollen
, dachte er verächtlich.
    Mit langsamen Schritten verschwand er im Dunkel der Nacht, und dann endlich war er wirklich frei, so frei, wie er es niemals
     gewesen war. Er gehörte nicht mehr zu ihnen, er gehörte nicht mehr nach Engil. Er würde Xiria suchen, und er würde sie finden
     – das schwor er bei Salas verdammtem Licht.

|348| Lins Ehre
    Lin stieß aufgebracht die Pforte des Tempels auf und rannte die wenigen Stufen bis zum Tempelplatz. Erst als sie die Blicke
     der Engilianer bemerkte, die verängstigt und erschrocken beobachteten, wie Salas Hohepriesterin aufgelöst aus dem Tempel stürzte,
     zwang sie sich zur Mäßigung. Ihr Herz schlug nach wie vor schnell und hart gegen ihre Rippen, doch sie straffte ihre Schultern
     und verbarg ihre Angst hinter einer lächelnden Miene. Sie durfte sich nicht derart gehen lassen, egal, wie aufgebracht sie
     war. Noch immer fiel es ihr schwer, ihre Gefühle hinter der Maske der weisen Hohepriesterin zu verbergen. Liandra hätte nicht
     sterben dürfen. Die Last auf ihren Schultern war zu groß, und vielleicht spürte Sala dies alles und weigerte sich aus diesem
     Grund, mit Lin zu sprechen.
    Lin war froh, als sie den Fuß des Hügels erreichte, der zu Ilanas und Tojars Haus führte, und somit den neugierigen und beunruhigten
     Blicken der Engilianer zu entschwinden. Obwohl nichts aus dem Königshaus an ihre Ohren drang, spürten die Bewohner von Engil
     die schwelende Unruhe, und Gerüchte verbreiteten sich in Windeseile. Wo war der Prinz von Engil, warum hatte man ihn seit
     Liandras Grablegung nicht mehr gesehen? Wer hatte die Hohepriesterin getötet, und war es nicht ein dunkles Omen, dass sie
     einen gewaltsamen Tod erlitten hatte? Noch wurden diese Fragen von Ohr zu Ohr geflüstert. Doch schon bald würden sie lauter
     werden, ängstlicher, zorniger und verzweifelter. Dann würden Engilianer kommen, den Hügel hinauf, die Namen Ilanas und Tojars
     auf den Lippen, und würden nach Antworten verlangen. Lin graute es vor diesem Tag. Als die Dienerin vollkommen außer Atem
     in |349| den Tempel gestürzt war und unter den besorgten Blicken der Priesterinnen in Lins Ohr geflüstert hatte, was nur für ihre Ohren
     bestimmt gewesen war, hatte sie gewusst, dass der Tag nicht mehr fern war.
Degan ist verschwunden
, hatten die Worte des Mädchens gelautet. Lin war zusammengezuckt. Sie hätte sich besser beherrschen müssen, hätte nicht alles
     stehen und liegen lassen sollen und der Dienerin folgen; doch es war geschehen.
    Die Sonne brannte unbarmherzig auf ihrem Gesicht, als sie den Hügel hinaufging. Hinter ihrer Stirn begann es zu pochen, doch
     sie verlangsamte kaum ihre Schritte.
Oh, Degan, das kannst du mir doch nicht antun!
flehte ihr Verstand vollkommen aufgelöst, während sie durch den Garten des Hauses lief. Sie hätten ihn nicht derart bedrängen
     dürfen, Nona hätte sich ihm nicht zeigen sollen. Nun hatten sie Degan vielleicht für immer verloren.
    Mit einem Nicken grüßte Lin eine der Dienerinnen und fing einen verzweifelten Blick des Mädchens auf. Sie verdrängte die aufkommende
     Eifersucht, denn sie wusste, dass das Mädchen eine Zeitlang Degans Bettgefährtin gewesen war. Wenigstens besaß sie eine Erinnerung
     an ihn! Lin schalt sich selber. Ihre Gedanken waren dumm und unreif.

Weitere Kostenlose Bücher