Blutschwestern
da er sich nicht sicher gewesen war, ob auf die Schjacks Verlass war, hatte er zwei seiner Wachen geschickt, einen jungen
Mann zu töten und grausam zu verstümmeln. Seinen Leichnam hatte er den Bewohnern von Dungun gezeigt und ihnen die Lügengeschichte
vom Fluchtversuch des jungen Mannes aufgetischt. Sie hatten ihm letztendlich geglaubt, und Mador nährte ihre Furcht, indem
er ihnen von Zeit zu Zeit neue verstümmelte Leichen brachte. Sie blieben in Dungun, aber sie mieden ihn. Zweimal war es vorgekommen,
dass sich kleinere Gruppen von Männern und Frauen gegen seine Herrschaft aufzulehnen versuchten. Mador hatte die Aufstände
durch seine Wachen niederschlagen können. Die wenigen Wachen, die er noch besaß, blieben freiwillig bei ihm, denn sie glaubten
wie er an die Rückkehr Muruks. Doch es waren zu wenige, der Gott sprach nicht zu ihm, und die Schjacks hörten nicht auf ihn.
Madors Herrschaft war keine wirkliche Herrschaft, wie die von Karok es gewesen war, doch er tat alles, um dies vorzutäuschen.
Selbst die Wachen wussten nicht, dass Muruk nicht zu ihm sprach. Seit einiger Zeit aber |364| war Gemurre auch unter seinen Anhängern aufgekommen.
Wann endlich wird Muruk zurückkehren? Wann werden wir für die Mühen entlohnt, wie du es uns versprochen hast, Kriegsherr des
dunklen Gottes?
Er hatte sie vertröstet, immer wieder und dann … hatte der dunkle Gott endlich zu ihm gesprochen! Es war in der Nacht gewesen,
als er geschlafen hatte. Düster wie ein Donnergrollen war seine Stimme in seinem Kopf erklungen. »Zähme die Greifin für mich
– sie ist die Gefährtin von Salas Auserwähltem«, waren die einzigen Worte gewesen, die Mador verstanden hatte. Viel zu gewaltig
war Muruks Stimme für seinen schwachen Menschenkörper, aber Mador hatte gewusst, dass es der Gott gewesen war. Er hatte seine
erste echte Verkündung getätigt, seit er Dungun und seine Bewohner an sich gerissen hatte. Nun endlich fürchteten sie ihn,
und seine Wachen achteten ihn, denn die Greifin war wirklich gekommen!
Mador betrachtete sie mit verhohlener Neugierde, als sie eintrat. Er hatte sehnsüchtig auf sie gewartet. Die Greifin war eine
Laune der Natur, ein unvorhergesehenes Hindernis, das Sala bei ihrer Prophezeiung nicht bedacht hatte. Genüsslich leckte er
sich über die vor Aufregung trockenen Lippen. Die Göttin hatte sich selber eine Falle gestellt. Ihr eigener Auserwählter hatte
die Waffe geschaffen, die Muruk letztendlich gute Dienste erweisen konnte. Mador beugte sich etwas nach vorn, um sie genau
sehen zu können. Sie war eine Schönheit, etwas Einzigartiges, sie war die Schöpfung, die ihre eigene Rasse bei weitem übertraf.
Sie leuchtete, sie strahlte, sie fühlte, sie hasste! Mador zuckte zurück, als ihre klaren blauen Augen ihn ansahen. Sie hasste
ihn! Sie brauchte nur einen einzigen Blick, um ihn zu hassen … weil er ein Mensch war. Sie hasste die Menschen mehr als alles
andere. Mador überlegte fieberhaft. Das würde seinen Plan verkomplizieren, doch es wäre nicht unmöglich. Einmal mehr ärgerte
er sich darüber, dass die wenige Kraft, die Karoks sterbender Körper ihm gelassen hatte, nicht ausreichte, um zu herrschen
und Muruk zu neuer Größe zu verhelfen. Sie hatte ihm |365| Langlebigkeit und Alterslosigkeit geschenkt und, wie er nun wusste, die Fähigkeit, Muruks Stimme in seinem Kopf zu hören.
Doch sein Blut war nicht so stark wie es Karoks gewesen war – er konnte die Menschen nicht in Muruks Bann ziehen, er zeugte
keine Schjacks, wie Karok es getan hatte, die ihm gehorchten und die Kunde von Angst und Schrecken nach Engil brachten. Er
konnte kraft seiner Gedanken niemand anderen als Muruk erreichen. Zwar konnte er fühlen, was diejenigen fühlten, die ihn umgaben,
ihre Stimmungen in sich aufnehmen, doch er konnte sie nicht beeinflussen.
Mador fuhr sich über die raue Handfläche. Er war ein Krieger, kein Redner, doch der Geist und der Verstand dieser Greifin
war noch nicht genügend genährt worden, als dass er komplexe Gedankengänge verstehen oder umsetzen konnte. Sie lernte schnell,
aber noch glich sie einem Kind; einem lenkbaren Kind, das nicht wusste, welch eine Macht es in sich trug. Er brauchte sie
… Muruk brauchte sie!
»Xiria, die Greifin«, versuchte er sie so sanft wie möglich anzusprechen, um ihre Wut nicht zu schüren. Eine Welle von Hass
durchwogte seinen Körper, sie sandte ihm ihre Gefühle unvermittelt und ungedämpft
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