Blutschwestern
fressen.«
»Das ist ja ganz wundervoll«, antwortete er angewidert und gab seinen Männern, die sich ebenfalls die Nasen zuhielten, ein
Zeichen, sich wieder in Bewegung zu setzen.
»Wir müssen aufpassen, dass wir nicht fehltreten und Opfer der Sümpfe werden, bevor wir Dungun überhaupt erreichen. Die Schjacks
greifen bei Tage nicht an, jedoch in der Nacht«, erklärte Ilana, die froh war, Tojar endlich einmal voraus zu sein und mehr
zu wissen als er. Natürlich wusste er von den Schjacks. Doch da die Taluk ihr Gebirge selten verließen und die Schjacks ihrerseits
nicht bis ins Gebirge vordrangen, waren weder er noch seine Männer einer dieser Kreaturen jemals begegnet. Ilana allerdings
auch nicht, wie sie kurz darauf feststellte. Alles, was sie über die Schjacks wusste, hatte sie von Nona erfahren; und das
Wenige war alles andere als beruhigend. Sie beugte sich zu Tojar hinüber. »Nona hat mir verraten, dass der Hohepriester von
Dungun durch die Augen der Schjacks zu sehen vermag.«
Tojar sah sie verwirrt an, und Ilana wurde konkreter. »Er sieht, |216| was die Schjacks sehen. Wenn uns also ein Schjack bemerkt, weiß auch der Hohepriester, dass wir auf dem Weg nach Dungun sind.«
»Das übertrifft allerdings meine schlimmsten Albträume«, versuchte er im Angesicht der bedrückten Stimmung eines lahmen Scherz.
Dann winkte er den Männern, ihm zu folgen.
Es war bereits später Vormittag, als sie das Sumpfland erreicht hatten. Sie kamen gut voran, bis ein paar Männer unvorsichtig
wurden und in Sumpflöcher gerieten. Zwei von ihnen konnten herausgezogen werden, doch für einen kam jede Hilfe zu spät. Verzweifelt
mussten die Männer mitansehen, wie einer der Ihren unter angstvollen Rufen im stinkenden braunen Schlamm versank. Sie hatten
versucht, ihn herauszuziehen, doch sie waren nicht nah genug an ihn herangekommen. Als der Kopf des Mannes unter gurgelnden
Geräuschen versank und nur noch seine in Todesangst aufgerissenen Augen zu sehen waren, hatten sie aufgegeben und sich abgewandt.
Von da an breiteten sich Furcht und Gereiztheit unter den Taluk aus. Tojar musste mehr als einmal für Ruhe sorgen, und Ilana
begann sich zu fragen, was geschehen wäre, wenn sie die Taluk alleine nach Dungun geführt hätte. Die Krieger hörten nicht
auf sie, wahrscheinlich wären sie umgekehrt. Zwar waren sie furchtlose Kämpfer, doch ihre Kriegskünste hatten sich seit Jahrhunderten
auf den Schwesternkampf in der Wüste von Melasan beschränkt. Dieses Sumpfland jagte ihnen Furcht ein, da sie es nicht kannten,
ebenso wenig wie den Feind, gegen den sie kämpfen sollten. Es war eine Sache, einen Krieg gegen Menschen zu führen, doch eine
andere, gegen dunkle Mächte in den Kampf zu ziehen.
Am frühen Nachmittag begann die ohnehin schwache Sonne hinter ihrem Wolkenvorhang zu verblassen. Ilana stieß einen Fluch aus.
Wie hatte sie Nonas Warnung vergessen können? Zwar brauchte es nur einen Tagesmarsch, um das Sumpfland zu durchqueren, doch
waren die Tage in Dungun viel kürzer als in Engil. Sie mahnte Tojar zur Eile, doch der schüttelte den Kopf. »Wir werden |217| zu viele Männer verlieren, wenn wir zu schnell und unachtsam werden.«
»Du wirst auch viele Männer verlieren, wenn die Schjacks uns hier in der Dunkelheit überraschen«, erklärte sie. Tojar ließ
sich nicht überzeugen. Anscheinend empfand er das Sumpfland, dessen Tücken er bereits kennengelernt hatte, als ernstere Bedrohung
als eine Kreatur, von der er zwar gehört, die er jedoch nie gesehen hatte.
Ilana schluckte und sah sich um. Sie hoffte, dass ihnen eine Begegnung mit den Schjacks erspart bleiben würde. Als jedoch
die Dunkelheit hereinbrach, schien auch Tojar zu bereuen, dass er nicht auf Ilana gehört hatte. Als das heisere Pfeifen und
Klappern der Schjacks aus dem Dunkeln ertönten, gerieten seine Männer in helle Panik, und sie verloren weitere fünf Krieger
an das Sumpfland. Trotzdem achtete bald niemand mehr darauf, wohin er seine Schritte setzte – spätestens als die ersten Schreie
derjenigen erklangen, die den Schjacks zum Opfer fielen. Die Schjacks schienen den langen Tross von hinten anzugreifen, und
obwohl viele der Männer Fackeln trugen, waren die Kreaturen des Muruk mit ihrer Beute verschwunden, ehe man sie ihnen hätte
entreißen können. In Ilanas Nacken stand kalter Angstschweiß. Sie bekam eine Ahnung, wie Nona sich gefühlt haben musste, als
sie allein durch das Sumpfland
Weitere Kostenlose Bücher