Blutschwestern
Engil führen«, wandte Ilana ein und wurde fast rot ob ihres Angebotes.
Er schien jedoch gar nicht darüber nachzudenken. »Muruk hat |220| das Volk der Taluk einst in das Taligebirge verbannt. Sicherlich wird er es nicht dulden, dass wir in Engil leben. Ich weiß
nicht, was er tun würde, um uns zu strafen oder uns zu vernichten. Doch ich weiß, dass er es nicht zulassen würde. Entweder
wir befreien uns von ihm, oder wir sterben. Ein Zurück wird es nicht geben.«
Ilana fragte sich in diesem Augenblick, ob sie richtig entschieden hatte, den Taluk solche Hoffnungen zu machen. Sie war gekommen,
um Akari zu befreien, vielleicht sogar gegen Karok zu kämpfen … doch würde das auch reichen, um die Taluk aus dem Bann des
dunklen Gottes zu befreien?
Vielleicht
, sprach sie in Gedanken zu sich selbst,
wenn das Kind überlebt und seine Macht groß genug ist, dass Muruk es fürchtet. Vielleicht wird er dann die Menschen ein für
alle Mal in Ruhe lassen und mit Hilfe von Salas Licht.
Weiter kam Ilana nicht in ihren Gedankengängen, denn Tojar gab mit einem Ruf das Zeichen zum Angriff. So zögerlich die Taluk
auch vor den Toren Dunguns gestanden hatten, so entschlossen folgten sie nun ihrem König. Kampf war etwas, das sie kannten
und nicht fürchteten wie die Schjacks oder das Sumpfland. Alles war nun besser, als einfach herumzustehen. Ilana musste zur
Seite springen, um nicht von den Männern einfach niedergetrampelt zu werden. In ihrer Entschlossenheit, Tojar zu folgen, übersahen
sie ihre vermeintliche Königin geflissentlich. Ilana stolperte, als die zornigen Krieger gleich einer Herde Falbrinder durch
die Tore von Dungun stürmten. Schließlich fing sie sich jedoch und zog ihr Schwert aus dem Waffengürtel. Sie war nicht gekommen,
um sich von ihnen zur Seite drängen zu lassen, sie würde ebenso kämpfen wie die Taluk.
Ilana passte einen günstigen Zeitpunkt ab und schob sich dann mit einem Schwall von Männern durch die Stadttore. Von hinten
drängten die Nachkommenden sie vorwärts, und als Ilana endlich wieder genug Sicht hatte, erkannte sie aus den Augenwinkeln
die düsteren Gestalten, die bereits auf sie gewartet hatten.
»Seht! Sie kommen von den Seiten«, gelang es Ilana noch zu schreien.
|221| Einige der Männer hörten auf sie und erkannten die Reihen von Dunguns Kriegern, die sich gleich einem geschlossenen Bollwerk
die Straßen hinab auf sie zuwälzten. Es waren düstere Gestalten, mit Masken aus Greifensilber und Rotmetall, deren Nasen und
Ohren und manchmal sogar Wangen mit Schjackzähnen durchstoßen waren. Sie trugen die Zähne der Kreaturen, wie Frauen schönen
Schmuck trugen. Ilana wurde erneut zur Seite gestoßen, als die Taluk sich an ihr vorbeidrängten und auf die Reihen der Krieger
zuliefen. Unsanft landete sie im Matsch der Straße und zog ihren Kopf ein, da sie fürchten musste, dass sie Tritte abbekam.
Eine Hand packte sie an der Schulter und zog sie hoch, als wäre sie nicht viel mehr als eine Feder. Tojar stellte sie auf
die Beine und blickte sich ratlos um. Ilana wusste, dass er sie am liebsten in Sicherheit gewusst hätte, doch in Dungun gab
es keine Sicherheit. Vor den Stadttoren warteten die Schjacks, er konnte sie unmöglich hinausschicken. Tojar versicherte sich
kurz, dass seine Männer die schweren Scharniere der Tore mit ihren Äxten zerschlugen, so dass das Tor nicht geschlossen werden
konnte, dann schob er Ilana vor sich her und wies auf die einzig freie Straße, die nicht von den Kriegern Dunguns verstopft
war.
»Geh und hole deine Schwester!«, rief er ihr zu, dann hielt er sie noch einmal zurück und schrie nach Mador, der an seiner
Seite stand und bereits im Begriff gewesen war, den anderen zu folgen.
»Geh mit ihr und beschütze sie!«, wies er seinen ersten Berater an.
Ilana erkannte Madors Unwillen. »Ich schaffe es alleine«, sagte sie deshalb, doch Tojar schüttelte den Kopf. »Hilf ihr, ihre
Schwester zu befreien, und dann kommt sofort zurück. Wir werden uns zurückziehen, sobald ihr wieder hier seid. Solange werden
wir den Rückweg für euch freihalten und kämpfen.«
»Ich will an der Seite meiner Brüder kämpfen«, empörte sich Mador, doch Tojar packte ihn an den Schultern. »Ich kann sie niemand
anderem als dir anvertrauen. Ich würde selber gehen, doch ich muss hierbleiben und den anderen Mut machen. Ich bin ihr Anführer.« |222| Mador bedachte Ilana mit einem zornigen Blick, schließlich nickte er.
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