Blutschwestern
sie
erkannte, dass die Straße noch immer frei vor ihnen lag, und begann zu laufen. Doch kurz vor der ersten Biegung warteten sie
bereits; zwei Reihen grimmiger Krieger, die ihnen den Weg versperrten. Mador stieß einen Schrei aus, der dem eines Schjack
an Zorn nichts nachstand.
»Es war eine Falle … ich habe es dir gesagt. Und ich bin mit dir in diese Falle gelaufen, obwohl ich es besser wusste. Verdammt
sollst du sein, Weib!« Er warf Akari einfach von seiner Schulter in den Straßenmatsch und zog sein Schwert. Zornig schrie
er die Krieger an, sie sollten kommen, und dass er kämpfen würde, bis kein Tropfen Blut mehr durch seine Adern rann. Doch
die Männer bewegten sich nicht. Sie blieben einfach stehen und versperrten ihnen den Rückweg. Mador versuchte vergeblich,
sie zu einer Regung zu provozieren.
»Sie werden uns nicht gehen lassen«, sagte Ilana schließlich.
Dunkle leere Augen starrten sie hinter den Masken aus Rotmetall |228| an, welche die obere Gesichtshälfte der Krieger bedeckte. Ilana begriff, dass sie nun genau dort war, wo der Hohepriester
sie hatte haben wollen; abgeschnitten von ihren eigenen Kriegern in der Tempelstadt. Akari war nur sein Köder gewesen. Sie
hatte es geahnt, nein, sie hatte es gewusst – und Karok hatte gewusst, dass Ilana ihre Schwester nicht ihrem Schicksal überlassen
würde. Er wusste es seit dem Tag, an dem er aus Nona die Prophezeiung Salas herausgepresst hatte. Die Regeln des Krieges hatten
sich verändert!
Ilana blickte zu Akari, die noch immer bewusstlos am Boden lag. Er hatte sie nicht mehr gebraucht. Karok brauchte keine Köngin
mehr in Dungun, nachdem der jahrhundertelange Kampf des Schwesternthrones keine Bedeutung mehr besaß. Es ging nur noch darum,
welche Seite die Macht an sich reißen konnte, und Karok war sich seines Sieges gewiss.
Endlich rührten sich die Männer. Sie setzten sich langsam in Bewegung und kamen auf sie zu. Da Mador keine Anstalten machte,
Akari aufzunehmen, hievte Ilana sie sich auf die Schultern. Sie war entsetzt, wie leicht Akari war. Was hätte Karok getan,
wenn sie nicht nach Dungun gekommen wäre? Hätte er sie einfach verhungern lassen?
Gemeinsam wichen sie zurück, denn selbst Mador hatte der Mut verlassen, sich gegen die Übermacht zu stellen. Karoks Krieger
verfolgten Ilana und Mador, bis sie vor den steinernen Stufen von Muruks Tempel standen.
»Sie wollen, dass wir in den Tempel gehen«, flüsterte Ilana ihm zu.
Mador tat eine spöttische Handbewegung in ihre Richtung. »Nach dir, Königin von Engil.«
Ilana musste ihre Augen erneut an das flackernde Fackellicht gewöhnen, doch dann sah sie ihn. Er war hässlich und entstellt,
wie Nona ihn ihr beschrieben hatte. Ilana spürte, dass eine starke und dunkle Macht von ihm ausging. Karok saß am Ende der
nicht allzu großen Halle auf einem Thron; es war der Thron, auf dem einst Akari gesessen hatte, nun gehörte er Karok.
|229| »Willkommen in Dungun, im Reich des Muruk … in Karoks Stadt«, sprach er mit einer seltsam heiseren Stimme. Sein dunkles Gewand,
das von einem Gürtel aus Greifensilber gehalten wurde, und seine Priesterkrone wiesen ihn als den obersten Priester Muruks
aus. Er verzog die Lippen zu einem fratzenhaften Lächeln und entblößte dabei seine Zähne. Sie waren spitz und ähnelten denen
der Schjacks. Ohne Hast wies er auf Akari. »Meine Kinder haben euch gesehen, dort draußen im Sumpfland, und wie ich sehe,
habt ihr die Königin gefunden.«
Ilana setzte Akari ab und trat mutig ein paar Schritte auf Karok zu. »Was hast du meiner Schwester angetan?«
»Ich habe sie mein edles Blut trinken lassen … das Blut Muruks, das durch meine Adern fließt – alle meine Kinder haben davon
gekostet.« Der Ausdruck in seinen Augen ließ Ilana alle Boshaftigkeit erkennen, zu der er fähig war. Erneut wies er auf Akari.
»Ich brauche sie nicht mehr, denn nun habe ich dich!«
»Dort unten kämpft mein Heer. Selbst wenn es dir gelingt, sie in dieser Nacht aus Dungun zu vertreiben, werden sie wiederkommen.
Sie wissen, dass ich hier bin, und sie werden nicht aufgeben.« Ilana versuchte einen letzten hoffnungslosen Einwand. »Mich
und Akari kannst du vielleicht töten, doch du vergisst das Kind. Es wird geboren werden, und es ist ihm bestimmt, dich zu
vernichten.«
»Ja«, antwortete er leise. »Das Kind hat mir Sorgen bereitet, ich gebe es zu. Ich habe seine Geburt gefürchtet, als Sasalor
mir von dieser
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