Blutschwur: Die Rachel-Morgan-Serie 11 - Roman (German Edition)
wandte ich mich ihm vollständig zu. Meine Kraftlinie? War sie wirklich so sehr aus dem Gleichgewicht geraten?
Als Augenwinkel zuckte. Eisige Kälte glitt über meinen Rücken und sorgte dafür, dass ich mich versteifte. Wir hatten wochenlang versucht, die Kraftlinie, die ich zwischen der Realität und dem Jenseits erzeugt hatte, entweder zu schließen oder zumindest ins Gleichgewicht zu bringen. Aber wir hatten keine Chance, bis ich selbst gelernt hatte, wie man durch die Linien sprang. Das Ungleichgewicht verlagerte langsam Energie aus dem Jenseits in die Realität. Bis jetzt hatte nur deswegen niemand etwas gesagt, weil es lediglich ein Rinnsal war – und uns noch genug Zeit blieb, das Leck zu stopfen. Deswegen, und weil ich der einzige weibliche Dämon war. Nur ich konnte ihnen vielleicht Babydämonen s chenken, sobald sie es leid waren, sich von mir Kinkerlitzchen herstellen zu lassen. Sie hatten pro Jahr vielleicht einen Kubikmeter ihrer Dimension verloren. Das war nicht viel. »Wie schlimm ist es?«, flüsterte ich, während ich gleich zeitig versuchte, Dali anzulächeln, der als Als Bewährungshelfer fungierte.
»Schlimm.« Als Stimme war leise, aber fest. »Richte dich auf. Versuch, sexy auszusehen.«
»In einem Betttuch?«, beschwerte ich mich, während ich die Toga glatt strich. »Wie soll ich denn darin sexy aussehen?« Er räusperte sich, und ich verzog das Gesicht. »Egal.«
Mit einem Stirnrunzeln lehnte ich mich wieder zur Seite, um Ku’Sox noch einmal böse anzustarren. Ich war mir sicher, dass er dafür verantwortlich war, dass meine Kraftlinie aus dem Gleichgewicht geraten war. Das Lächeln des Dämons bestätigte meine Vermutung. Plötzlich wurde mir klar, wie tief wir in der Scheiße saßen. Ku’Sox besaß überlebende Rosewood-Babys. Er hatte das richtige Druckmit tel, um Trent dazu zu zwingen, ihm das endgültige Heilmittel der Dämonen auszuhändigen. Er hatte eine Kraftlinie – meine Kraftlinie – dazu gebracht, dass sie genug Energie verlor, um ein echtes Problem darzustellen. Er würde jeden Einzelnen im Jenseits töten und mir die Schuld dafür in die Schuhe schieben.
»Oh, Dreck«, flüsterte ich. Ku’Sox nickte mir zu, als er sah, dass ich es verstanden hatte. Ich holte tief Luft, um die Wahrheit herauszuschreien, dann zögerte ich, weil Ku’Sox scheinbar genau das wollte. Das war noch nicht alles; ich konnte es in seinem Gesicht sehen, spürte es förmlich in der Luft hängen.
Panisch drehte ich mich wieder zu Al um. »Al«, zischte ich. »Sag ihnen, dass er meine Linie kaputtgemacht hat!«
»Genau …«, murmelte Al. »Das wissen wir nicht. Es einfach zu behaupten, würde uns in den Knast bringen, wo du gar nichts mehr unternehmen kannst.«
»Aber er war es!« Dreck auf Toast, das wurde immer schlim mer, und Al war es egal.
»Sag nichts, was mich ins Gefängnis bringt, Liebes«, hauchte Al so leise, dass ich ihn über das Gemurmel hinweg kaum verstand. »Du besitzt nicht genug, um uns beide auszulösen. Wir müssen herausfinden, wie schlimm der Schaden ist, und ihn dann reparieren.«
Ich war mir nicht sicher, ob Al den Schaden an meiner Kraftlinie oder an meiner Glaubwürdigkeit meinte. Frustriert kochte ich vor mich hin.
Dali, der anscheinend die Anwesenden gezählt hatte, stand auf und hob die Hände, um die Menge hinter uns zu beruhigen. »Ruhe! Ruhe!«, schrie er. Seine Stimme hallte durch den Raum. Der Dämon war es gewohnt, dass man auf ihn hörte, und die letzten Anwesenden beeilten sich, einen Platz zu finden. Im Jenseits waren alle Dämonen gleich, aber manche hatten mehr Macht als andere, und manche hatten mehr Geld. Dali hatte beides.
Al stieß mir einen Finger in die Rippen, damit ich mich gerade hinstellte. »Ich werde das Reden übernehmen«, sagte er.
»Wenn ihr nicht erst den Mund zuklappen und dann euren Geist schließen könnt, werde ich den Saal räumen lassen!«, rief Dali. »Dann kann keiner von euch Luft ablassen!«
Newt schnüffelte, während sie ihre Beine neben sich auf die Bank legte und damit seltsam erotisch wirkte. »Und beim Wandel, man sollte hier mal Luft ablassen«, sagte sie. Ihre Stimme war sanft, aber gleichzeitig trotzdem noch in der letzten Reihe zu hören. »Hier riecht es wie in einer Umkleide voller Ziegen.«
Männerlachen erklang, und endlich hielten sie alle den Mund. Es war, als lebte man dauerhaft mit Sechstklässlern. Dali senkte die Hände, dann ging er für einen Mann in mittleren Jahren sehr elegant zur Mitte der
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