Blutschwur: Die Rachel-Morgan-Serie 11 - Roman (German Edition)
fühlte mich klein neben ihm. »Wie bringt man eine Kraftlinie aus dem Gleichgewicht?«
Er senkte die Arme, warf mir einen kurzen Blick zu und wandte den Kopf wieder ab. »Keine Ahnung«, meinte er und wirkte dabei, als würde ihm dieses Geständnis körperliche Schmerzen bereiten. »Ich sage dir was. Geh mal eben in die Realität und schau, wie die Linie von dort aussieht.«
Ich machte einen Schritt rückwärts. »Ernsthaft?«
Mit einem Stirnrunzeln musterte er mich von oben bis unten. »Tritt in die Linie, schieb dich durch und schau, wie die Linie aus der Realität aussieht. Wenn wir Glück haben, wirkt sie dort anders. Vielleicht ist es nur ein Fluch, den wir brechen können.«
Ich zögerte, nur um zusammenzuzucken, als er vortrat, meinen Arm ergriff und uns gemeinsam in die Linie schob. »Hey!«, jaulte ich, als mein Magen einen Sprung machte, weil die Linie sich anfühlte, als würde jemand ausdauernd mit den Nägeln über eine Tafel kratzen. Ich versteifte mich und entwand mich Als Griff, verließ aber nicht die Linie, weil der Dämon auch noch darin stand. Wenn er es ertragen konnte, konnte ich es auch.
Angewidert hob ich mein zweites Gesicht. Die purpurne Spur lag so nah neben uns, dass ich sie hätte berühren können. Mein Herz raste, und ich spürte kleine Stiche auf der Haut, als würde ohne Unterlass Energie auf mich abgeschossen. Allem Anschein nach sog die Linie Energie auf, aber dieses disharmonische Gefühl bewies, dass sie auch etwas abgab.
»Ich werde hier in der Linie bleiben«, sagte Al. Ich schluckte schwer. »So kannst du mir sagen, was du siehst. Glaubst du, du schaffst das?«
»Sicher.« Ich leckte mir über die Lippen, dann wünschte ich mir sofort, ich hätte es nicht getan. Jetzt hatte ich Sand im Mund.
»Vielleicht jetzt?«, drängte Al und zog seine Ärmel nach unten. »Es wird mich Stunden kosten, den Sand aus meinen Haaren zu entfernen. Und halt dich fern von diesem purpurnen Dreck.«
Ich warf einen schnellen Blick zu der purpurnen Spur, deren Kern dauerhaft rotes Wirbeln einsaugte. »Kein Problem.« Ich atmete langsam durch, schloss die Augen und schob mich Kraft meines Willens von einer Realität in die andere. Es war etwas anderes als ein Kraftliniensprung. Dä monen verwendeten diese Art des Transports selten, außer, sie zerrten einen unwilligen Sklaven ins Jenseits – es war, als würde man auf einem Pferd durch eine Stadt reiten, in der alle anderen fliegende Autos besaßen.
Das Heulen der Linie veränderte sich. Ich öffnete die Augen und entdeckte einen geisterähnlichen Al, der immer noch neben mir stand. Doch jetzt waren wir durch ein rotes Schimmern getrennt. Die Luft stank nicht nach verbranntem Bernstein, und der verdammte Wind, der im Jenseits ständig zu wehen schien, war verschwunden. Vögel zwitscherten, und unter meinen Füßen wuchs Gras. Leise hörte ich das Plätschern von Wasser, und um mich herum sprossen die ersten Blätter an hohen Bäumen. Ich atmete tief durch und drehte mich um. Hinter mir stand unversehrt Loveland Castle, auch wenn es generell ein plumpes Gebäude war, das langsam zerfiel – ein adeliger Traum, der langsam verwahrloste. Das geschah gewöhnlich mit noblen Ideen, wenn sie in Vergessenheit gerieten.
»Und?«, drängte Al. Ich drehte mich zu ihm um und zuckte überrascht zusammen. Die Seltsamkeit der Linie beeinflusste alles. Das Bild des Parks um das Castle wurde vom Anblick der staubigen, sonnengedörrten Oberfläche des Jenseits überlagert, aber die purpurschwarze Spur in der Linie sah von hier genauso aus wie von der anderen Seite. Hässlich.
Ich senkte den Sonnenschirm und blinzelte in die gelbe Sonne. »Schwer zu sagen. Macht es dir etwas aus, wenn ich ein wenig weggehe und mal schaue, wie es von außerhalb der Linie aussieht?«
»Beeil dich«, grummelte er. Ich machte mehrere hastige Schritte zurück, bis das unangenehme Kratzen an meinen Nerven sich auflöste. Gleichzeitig verschwand auch mein Kopfweh, und ich sog die klare Luft tief in meine Lunge. Ich stand vollkommen in der Realität. Schnell zog ich mein Handy aus der Tasche und sah auf die Uhr. Ich hatte noch ungefähr eine Viertelstunde, bevor Jenks mich beschwor. Nachdem ich wusste, dass Al langsam ungeduldig wurde, schrieb ich Trent eine SMS, dass es mir gut ging und dass Jenks mir noch eine Stunde geben sollte.
Unglücklicherweise sah die Linie aus der Realität ungefähr genauso aus wie im Jenseits, auch wenn das hohe Surren ein wenig höher klang. Ich
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