Blutschwur: Die Rachel-Morgan-Serie 11 - Roman (German Edition)
klappte mein Handy zu, dann musterte ich meine Umgebung. Ich wollte herausfinden, ob irgendjemand hier gewesen war. Die Gräser unter der Linie standen alle senkrecht in die Luft, als würden sie nach oben gezogen. Das war seltsam. Ich kauerte mich neben die Linie und fuhr mit einer Hand über das Gras, das sich sofort wieder aufrichtete. Der Boden zwischen den Halmen war so sauber, als hätte jemand dort gesaugt.
Ich unterdrückte ein Schaudern, als ich aufstand. Weil ich davon ausging, dass der Sonnenschirm dumm aussehen musste, schloss ich ihn. Ab und zu gab es Führungen durch das Castle. Als ich keinen Hinweis darauf entdeckte, dass in den letzten Wochen jemand hier gewesen war, trat ich wieder in die Linie. Al schien sich zu entspannen, als ich für ihn ein wenig klarer wurde, weil ich mich seiner Realität genähert hatte. »Nun?«, drängte er.
Ich zuckte mit den Schultern und trat von einem Fuß auf den anderen. »Sie sieht genauso aus, aber das Surren ist höher. Das Gras allerdings …« Ich trat gegen ein paar Halme. »Es wächst seltsam. Direkt nach oben, als würde jemand daran ziehen. Selbst der Boden sieht aus, als wäre alles aufgesaugt worden, was nicht festgenagelt war.«
»Vielleicht war es ja so.« Al duckte sich unter der purpurnen Spur hindurch, um auf die andere Seite zu kommen und damit näher zu mir. »Das Purpur scheint ein fassbarer Ausdruck des schweren Energieverlustes zu sein.«
»Wo geht sie hin?«, fragte ich. »Die Energie, meine ich?«
Al verschränkte die Arme hinter dem Rücken wie ein Dozent. Ich erkannte die Pose aus unseren Tagen und Nächten in seinem Küchenlaborraum. »Wenn die Sonne am Himmel steht, fließt Energie von der Realität ins Jenseits; wenn die Sonne untergeht, dreht sich die Fließrichtung um.« Seine Stimme hallte wie die eines Geistes. »Das Problem ist, dass weniger Energie ins Jenseits fließt als heraus. Diese purpurne Spur? Ich weiß um nichts in den zwei Welten, was das sein soll. Auf jeden Fall scheint sie die natürlichen Gezeiten zu unterbrechen und die Energie in einen Ereignishorizont zu ziehen. Und macht es damit schlimmer, als es sein sollte.«
Ereignishorizont? Ich wünschte mir, ich hätte in fortgeschrittener Kraftlinienphysik besser aufgepasst.
Al seufzte, und ich verschob mich kraft meines Willens zurück ins Jenseits. Der Wind traf mich wie ein Schlag, und schnell öffnete ich meinen Sonnenschirm wieder. »Es tut mir leid«, sagte ich.
»Was?«, fragte er sarkastisch. »Du hast so viel getan.«
Ich trat unruhig von einem Fuß auf den anderen. »Ich nehme an, ich entschuldige mich dafür, dass ich die Linie überhaupt geschaffen habe. Wie hast du deine ins Gleichgewicht gebracht?«
Al warf mir einen misstrauischen Blick zu, bevor er sich in Bewegung setzte, um sich von mir zu entfernen. »Ich habe daran herumprobiert, bis sie innerhalb der richtigen Para meter lag. Aber das können wir bei deiner nicht machen, weil es eine Realität-zu-Realität-Linie ist. Außerdem musst du erst wissen, wie man durch die Kraftlinien springt.«
Ich biss für einen Moment die Zähne zusammen. Das musste Bis mir beibringen, und er war zu jung.
»Allerdings«, sagte Al, strich einen trockenen Grashalm durch die purpurne Spur, betrachtete den Schaden und grunzte scheinbar angetan, »glaube ich nicht, dass es etwas helfen würde, wenn du wüsstest, wie man durch die Linien springt. Nein, dieser purpurne Mist ist etwas anderes.« Er richtete sich auf und ließ den Grashalm fallen. »Es sollte uns möglich sein, etwas dagegen zu unternehmen. Und ein wenig Zeit zu erkaufen. Uns an den Punkt zurückzubringen, an dem wir gestern waren.«
Ich verspürte das erste Aufkeimen von Hoffnung. »Was schwebt dir vor?«
Er warf mir ein schnelles Grinsen zu, und ich hatte das Gefühl, etwas richtig gemacht zu haben. »Bleib hier«, sagte er und wedelte dramatisch mit einer weiß behandschuhten Hand. »Ich bin gleich zurück.«
»Al?«, rief ich, aber da war er schon verschwunden. Nervös blickte ich über die trostlose, sonnenverbrannte Erde und das trockene Flussbett, während ich fühlte, wie der Wind Sand gegen mich schleuderte. Ich war nicht gerne allein an der Oberfläche. Ich drehte meinen Sonnenschirm. Meine Haare würden heute Abend furchtbar verfilzt sein.
Fast sofort stolperte Al mit gesenktem Kopf und gebeugtem Rücken wieder aus der Linie. »Ah, hier«, sagte er, als seine ziegengeschlitzten Augen hinter der Sonnenbrille meine fanden. »Leg den
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