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Blutseele

Blutseele

Titel: Blutseele Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kim Harrison
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und ließ ihn mit einer Handvoll Nudeln zurück.
    »Die Sonne, hm?«, fragte ich, als er neben mir stehen blieb.
    Kisten ging nicht darauf ein, und das zeigte mir, wie besorgt er war. »Sharps ist nicht hier, oder?«
    Ich schüttelte den Kopf und beobachtete, wie Audric die Enten fütterte, während seine gesamte Zukunft vom Verlauf der nächsten paar Minuten abhing. »Er sieht dir sehr ähnlich«, stellte ich fest.
    Kistens Stirn glättete sich, und das ließ seine ganze Schön heit erstrahlen. »Er hat die Phelps-Augen.«
    »Und die Haare seines Vaters«, fügte ich hinzu.
    Kisten verzog das Gesicht und fuhr sich mit der Hand durch die eigenen, gefärbten Strähnen. »Und die Cleverness seiner Mutter. Gott, ich hasse es, wenn so was passiert. Es ist schwer, ihnen die schönen Kinder vorzuenthalten.«
    Er meinte Meistervampire, nicht Sean. Mein Gesicht wurde kalt, als ich endlich wirklich verstand, was vorging. Deswegen hatte Sean plötzlich Interesse. Nicht für sich, sondern für seinen Meister. Audric sollte ein Geschenk sein. Ein verdammtes Präsent. »Er ist sechs Jahre alt«, zischte ich und schlang die Arme um mich.
    Mit auf den Boden gerichteten Augen nickte Kisten. »Des wegen hatte er eine Affäre mit Chrissie. Er wollte ein schönes Kind außer seinen eigenen, das er seinem Meister anbieten kann.«
    Fieberhaft trat ich von einem Fuß auf den anderen, frus triert und hilflos. Das würde nicht passieren. Auf keinen Fall.
    »Ein schönes Kind?«, rief ich und senkte dann die Stimme. Audric hatte schon genug Angst.
    Kisten hob langsam den Blick. Ich konnte alte Angst in seinen Augen sehen, und, tief darunter, Scham. »Ein Meistervampir würde kein Kind anfassen«, erklärte er, »aber sie mögen es, sie früh zu finden, damit sie an der Erziehung mitwirken können. Sicherstellen, dass sie die richtigen Kurse besuchen, die richtigen Freunde haben.« Kisten warf ein Stück Brot in Richtung einer Ente, verfehlte sie aber um ein ganzes Stück.
    Sie generell machtlos halten, während man ihnen die äußere Erscheinung von Macht verleiht, dachte ich. Es war Kisten in Reinformat in Wiederholung, und der erste wirk liche Einblick in seine Vergangenheit machte mir unendliche Angst.
    »Kisten, es tut mir leid«, sagte ich und streckte die Hand aus, um seinen Arm zu berühren.
    Er lächelte mit altem Schmerz in den Augen, als er meinem Blick begegnete. »Muss es nicht. Ich liebe mein Leben.«
    Aber trotzdem … da war auch Bedauern.
    »Ich habe ein gutes Leben«, sagte er und kniff die Augen zusammen, als sein Blick auf Audric landete, der scheinbar völlig versunken war, aber trotzdem alles bemerkte. »Ich hatte eine Menge Möglichkeiten, die ich sonst nicht gehabt hätte.«
    »Und du kämpfst darum, dass Audric sie nicht bekommt.«
    Kisten biss kurz die Zähne zusammen, dann entspannte er sich. »Audric ist klug«, sagte er leise. »Er braucht keinen Meistervampir, der ihm Türen öffnet. Er hat das nicht nötig.« Er warf noch ein Stück Brot, und es landete sehr viel weiter entfernt, als ich es je werfen könnte, sodass die Enten sich dafür richtig anstrengen mussten. »Er ist der Sohn, den ich nie haben werde, und ich will nicht, dass er dieselbe Hölle durchlebt wie ich.«
    Mir war leicht übel, als ich meine Hand seinen Arm entlanggleiten ließ, um dann meine Hand in seine zu schieben. Keine Kinder. Wegen Piscary. Piscary wollte ein Kind von Kisten, um seine Pläne voranzutreiben, und Nein zu sagen war Kistens letzte Möglichkeit des Widerstands, ein kleines Zeichen, dass er nicht Piscary gehörte – selbst wenn er es eigentlich tat.
    Bei all der Macht und den Privilegien, die Piscary Kisten gab, all das hatte einen Preis, den vielleicht seine Kinder zahlen müssten. Und Kisten wollte nicht, dass Audric diesen Preis zahlte. Ich drückte Kistens Hand. »Es tut mir leid«, flüsterte ich noch einmal.
    »Ich bin glücklich. Halt endlich den Mund, Rachel«, antwortete er, aber seine Hand schloss sich sanft um meine.
    Audric drehte sich zu uns um, weil er nichts mehr hatte, womit er die Enten füttern konnte. Kisten öffnete die nächste Tüte, und zusammen traten wir an die Brüstung, während die Erwachsenen sich weiter stritten. Die Sonne war warm, und für einen Moment konnten wir lachen und so tun, als wäre die Welt ein unschuldiger Ort, an dem die größte Sorge, die man hatte, die Frage war, ob Brot mit Enten soße an Enten zu verfüttern eine milde Form des Kannibalismus war.
    Vielleicht arbeitet Kisten

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