Blutseele
Boden. Ein Auftrag?, dachte er aufgeregt. Für mich? Allein?
»Wirst du mir helfen?«, fragte Vincet. Sein Staub nahm eine hellsilberne Färbung an, als er mutiger wurde. Seine Flügel zitterten, um sich warmzuhalten. »Meine Frischlinge sind in Gefahr. Meine Frau. Meine drei Kinder. Ich wage es nicht, jetzt umzuziehen. Wir werden die Frischlinge verlieren. Vielleicht auch die Kinder. Wir können nirgendwohin!«
Frischlinge, dachte Jenks geistesabwesend. Das Leben eines neugeborenen Pixies war so unsicher, dass man ihm keinen Namen gab und ihn nicht als Kind betrachtete, bevor er bewiesen hatte, dass er überleben konnte. Einen Frischling zu beerdigen galt als weniger schlimm, als ein Kind zu beerdigen. Auch wenn das eine Lüge war. Er und Matalina hatten in dem Jahr, in dem sie in die Kirche gezogen waren, ihren gesamten Wurf verloren, und seitdem hatte Matalina dank seines Wunsches nach Unfruchtbarkeit keine Kinder mehr bekommen. Das hatte wahrscheinlich Matalinas Leben verlängert, aber Jenks vermisste die leisen Geräusche der Frischlinge und das Vergnügen, das es ihm bereitet hatte, sich Namen auszudenken, während sie sich an seine Finger klammerten und einen weiteren Tag vom Leben für sich beanspruchten. Frischlinge, zur Hölle damit. Sie waren Kinder, und jedes einzelne war kostbar.
Jenks’ Blick landete auf Vincet, um ihn einzuschätzen. Dreizehn, und dabei trug er schon die volle Verantwortung des Lebens. Jenks’ eigene kurze Lebensspanne hatte ihn nie gestört – eine schnelle Kindheit, die in Kummer und Qual umschlug –, bis er die andere Seite gesehen hatte … die lange Jugend und das noch längere Leben der Großen um ihn herum. Es war so unfair. Er würde zuhören.
Und wenn er schon zuhörte, sollte er wahrscheinlich auch dafür sorgen, dass Vincet sich willkommen fühlte. So wie Rachel es tat, wenn Leute verängstigt und hilflos an ihre Tür klopften.
Seine Flügel brummten unsicher. »Wir haben Besuch«, erklärte er seinen Kindern mit einer Überzeugung in der Stimme, die ihn selbst überraschte. Sie sahen einander mit hängenden Flügeln und verwirrt an. Pixies tolerierten niemanden auf ihrem Land, außer, es wurde eine Ehe besprochen. Und auf keinen Fall lud man einen anderen Pixie in sein Heim ein.
Lächelnd bedeutete Jenks Vincet, sich auf die vom Winter ausgekühlten Kissen zu setzen, während er versuchte, sich daran zu erinnern, wie Rachel vorging, wenn sie Kunden befragte. »Ähm, gib mir sein Schwert, und hol einen Topf Honig«, sagte er. Jerrimatt keuchte.
»H-honig …«, stammelte der Junge. Jenks nahm Jhan das Schwert mit dem Holzgriff ab. Der Fairystahl sprach von gewonnenen Schlachten, wahrscheinlich noch, bevor Vincet seinen Clan verlassen hatte.
»Da soll Tink doch ihre Kekse verbrennen, los!«, rief Jenks und wedelte auffordernd mit den Händen. »Vincet bittet mich um Hilfe. Ich denke kaum, dass er mich aufspießen wird. Traut eurem Dad doch mal etwas zu, ja?«
Sein Gefluche war vertraut. In dem sicheren Wissen, dass alles in Ordnung war, stürzte sich seine Brut wild plappernd in den Haupttunnel.
»Ich habe euch alle aufgezogen«, schrie Jenks hinter ihnen her, weil er sich bewusst war, dass Vincet ihn beobachtete. »Glaubt ihr, ich kann einen Gast nicht von einem Dieb unterscheiden?«, fügte er hinzu, doch seine Kinder waren bereits verschwunden. Das Geräusch ihrer Flügel und ihres Geplappers verhallte im Tunnel. Der Raum wurde dunkler, als der Staub seiner Kinder nach unten rieselte und verlosch. Jenks, dem kalt wurde, ließ seine Flügel vibrieren, um Wärme und Licht zu erzeugen.
Dann reichte er dem anderen Pixie mit einem Schnauben sein Schwert, während er darüber nachdachte, dass er so etwas wirklich noch nie getan hatte. Vincet nahm die Klinge. Er wirkte genauso unsicher wie Jenks. Keine Pixietradition beschäftigte sich damit, wie man um Hilfe bat. Veränderungen fielen den Pixies schwer, nachdem sie am Leben blieben, indem sie sich an starre Regeln hielten. Doch Jenks war immer jemand gewesen, der durch Veränderungen lebte.
Jenks schoss zu einem zweiten, kleineren Kamin am Rand des Raumes, um die Kiste mit dem Zunder zu holen. Die Versicherung erlaubte kein Feuer in der Kirche, deswegen hatte er die Zunderbox nie nach drinnen gebracht. Und wenn ich einen Kunden befragte, dachte er, während er sich Sorgen machte, er könnte einen schlechten Eindruck hinterlassen, sollte diese Unterhaltung nicht nur im Licht meines Staubes stattfinden . Ein
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