Blutseele
»Göttin der Wälder. Ich habe das Wissen von Stahl und Leder erworben, um meine Schwestern zu beschützen, und du bist … gewarnt!« Sie wandte sich ab und rang nach Atem.
»Seht ihr, sie ist verrückt!«, schrie Vi unter Vincet heraus. Das Mädchen kämpfte, bis es einen Arm bewegen konnte. »Geh und schrei nach deinem Dämon, Daryl! Du bist eine Konkubine! Eine unbedeutende, größenwahnsinnige Nymphe, die sich für eine Göttin hält!«
Jenks riss die Augen auf, als das Keuchen plötzlich verstummte. Daryl richtete sich auf und drehte den Kopf zum Sockel von Sylvans Statue. Mörderische Glut leuchtete in ihren Augen, und Jenks fühlte einen kurzen Stich von Panik. »Raus aus dieser Pixie, Sylvan«, befahl sie. »Jetzt!«
Das kleine Mädchen machte eine unhöfliche Geste. »Ay gamisou!«, schrie sie trotzig.
Jenks hatte keine Ahnung, was das bedeutete, speicherte die Worte aber für die Zukunft ab, als die Frau offensichtlich erschüttert rückwärts stolperte.
»Jenks!«, flüsterte Bis unter ihm. »Lass uns verschwinden!«
»Ich habe versprochen zu helfen!«, erwiderte Jenks, während er fasziniert beobachtete, welche Farbschattierung die Frau in ihrer Wut annahm. »Und ich werde nicht zulassen, dass Sylvan in einer Statue stecken bleibt, in die eine Nymphe ihn verbannt hat!«
Daryls Blick schoss kurz zu Jenks und Bis, dann zurück zu Vi. »Ich werde nicht zulassen, dass du andere verletzt, Sylvan!«, erklärte sie laut, begleitet von einer entschiedenen Geste.
Bis hob den Arm, breitete die Flügel aus und sprang ein kleines Stück hoch, in dem Versuch, Jenks in der Luft zu fangen und nach unten zu ziehen. Bis’ Wärme umhüllte Jenks, als er sich in der Hand des Gargoyles duckte, während etwas, was er nicht sehen konnte, über sie beide hinwegschoss. Die Macht drückte gegen seine Flügel, bis der Blutfluss abgeschnitten wurde. Für einen Moment sackten seine Flügel in sich zusammen, doch schon der nächste Herzschlag richtete sie wieder auf.
Vi schrie. Das Geräusch erschütterte Jenks bis ins Innerste und zwang ihn dazu, sich aus Bis’ Fingern zu kämpfen. Sein Kopf erschien rechtzeitig genug in der Luft, um zu sehen, wie Vincet mit seiner Tochter in den Armen in die Luft sprang. Ihr Staub hatte ein todesähnliches Schwarz angenommen, um dann weiß zu glühen, sobald er nach unten rieselte. Wieder durchschnitten Vis Schreie die Nacht, als Daryl mit blutrünstiger Miene die Hand zur Faust ballte.
»Sie bringt sie um!«, schrie Vincet entsetzt. »Jenks, sie bringt meine Tochter um!«
»Schaff sie von der Kraftlinie weg!«, rief Bis. Der Gargoyle blieb standhaft an seinem Platz. »Ich kann sehen, wie die Energie sie durchfließt. Du musst Vi aus der Kraftlinie holen.«
Jenks stöhnte leise, während er sich selbst als Trottel beschimpfte. Dann schoss er zu Vincet, schnappte sich das von Schmerzen geschüttelte Kind und sauste direkt nach oben. Die Kraftlinie. Der gesamte Garten lag in der Kraftlinie! Sobald er Vi weit genug weggebracht hatte, würde die Verbindung brechen!
Vi wehrte sich gegen ihn, während seine Ohren vom Druckunterschied knackten. Sie hämmerte ihm mit den Fäusten gegen die Brust und wand sich, bis sie plötzlich beängstigend schlaff wurde. »Vi!«, schrie Jenks und kämpfte darum, sie festzuhalten, während ihr Körper gute zwölf Meter über dem Boden drohte, seinem Halt zu entgleiten. Ihre Haut war heiß, und ihr Gesicht leuchtete fahl im Licht seines Staubes. Doch es zeigte tiefen Frieden. Während er sie hoch über der dunklen Stadt im Arm hielt, erfüllte ihn Angst. Das silberne Schimmern um ihre Aura war ver schwunden.
»Vi«, flüsterte er und wiegte sie in der Umarmung der Nacht. »Vi, wach auf. Es ist vorbei.« Oh Gott. Hatte er sie im Stich gelassen? Starb sie? Getötet von seiner Kurzsichtigkeit? Trug er das tote Kind eines anderen Mannes im Arm, weil er versagt hatte?
Vis Lippen öffneten sich, und sie sog Luft in ihre Lunge, als wäre es Wasser. Sie riss die Augen auf. Das Licht des Mondes zeigte, dass sie grün waren und voller Entsetzen.
»Tink rette dich, es geht dir gut«, flüsterte Jenks, während ihm Tränen in die Augen traten. Vi war wieder sie selbst. Sylvan beherrschte nicht länger ihre Gedanken. Diese schreckliche Frau verbrannte sie nicht mehr.
Mit einem verängstigten Wimmern warf Vi sich gegen seinen Körper und schlang ihre kalten, dünnen Arme um seinen Hals. »Lass nicht zu, dass er mir wehtut«, bettelte sie, während ihr kleiner
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