Blutseele
Eingangstür.
»Trent«, versuchte es Ellie noch einmal, als Lucy durch die abrupten Bewegungen wieder anfing zu schreien. Doch Trent ignorierte die ältere Frau. Es war klar, dass Ellie das Mädchen ein letztes Mal halten wollte. Doch er hatte Angst davor. Jetzt, so kurz vor der endgültigen Entscheidung, könnte sie ihre Meinung ändern. Kein Wunder, dass Ellie nicht gewollt hatte, dass er Lucy berührte. Sobald er das getan hatte, hatte sich etwas in ihm verändert. Ohne Vorwarnung hatte er etwas bezeugt, was Äonen zurückreichte – hatte Verbindungen erfahren, die gleichzeitig dehnbar und unendlich waren und Tod und Leben überdauerten. Lucy war sein Kind. So einfach und so vielschichtig war es.
Mit gesenktem Kopf befestigte er das Seil am Haken, dann hängte er seine Abstiegssicherung am Geschirr ein. Das Seil wirkte zu dünn. Er biss die Zähne zusammen, als Ellie näher trat, dann sah er auf. Der Lärm aus dem Flur wurde lauter, doch trotzdem musste er noch etwas sagen.
»Danke.« Er hoffte, dass sie verstehen würde. »Wärst du nicht gewesen, hätte ich vielleicht …« Seine Stimme brach, und plötzlich wurde ihm die Gesamtheit der Situation bewusst. Wäre Ellie nicht gekommen, hätte er vielleicht den Flur stürmen müssen. Er hätte getan, was nötig war – und hätte damit nicht nur die Männer im Flur getötet, sondern auch seine letzte Hoffnung auf etwas, was er sich von Herzen wünschte. Ich glaube, du hast mich gerettet, dachte er, doch aussprechen konnte er die Worte nicht.
»Gern geschehen«, flüsterte sie und lächelte, obwohl Tränen über ihre Wangen rannen. Ellie umarmte ihn, dann stockte ihr Atem, als Lucy bei der Berührung fröhlich krähte. »Es wäre vielleicht schwieriger geworden«, sagte sie mit einem Blick zum Flur, »aber du hättest es trotzdem geschafft.«
Sie verstand nicht, auf was für einem schmalen Grat er wanderte. Er wandte sich ab, weil er sich schämte, dass er so mühelos hätte versagen können. Vielleicht schuldete er der Göttin ein wenig mehr Vertrauen. »Danke, Ellie. Zu wissen, dass du meine Handlungen akzeptierst, bedeutet mir mehr, als du je verstehen wirst. Lass dich von Ellasbeth nicht zum Schweigen bringen. Diese Tradition wird sterben.«
Die ältere Frau nickte und lächelte traurig, als Lucy ihren Finger packte und versuchte, ihn sich in den Mund zu stecken. »Ich werde trotzdem auf die Abmachung mit den neun Monaten beharren. Du solltest jetzt besser gehen. Diese Tür wird nicht viel länger halten.« Sie lehnte sich vor, drückte Lucy einen Kuss auf die Stirn und befreite ihren Finger aus dem Griff des Mädchens. »Bis bald, mein Liebling. Es war schön, dein Lächeln zu sehen.«
Jenks klapperte harsch mit den Flügeln, als er in einer roten Staubspur in den Raum schoss. »Ähm, ich unterbreche euch ja nur ungern, aber sie haben einen Schweißbrenner …«
Trent nickte und wandte sich ab. Er bahnte sich seinen Weg durch die Trümmer zur Abbruchkante und sah nach unten. Immer noch kein Boot. Er kontrollierte den Sitz seiner Handschuhe, sah mit einem Stirnrunzeln auf seine nackten Füße und fing an, sich abzuseilen.
»Sei vorsichtig!«, sagte Ellie. Er sah auf, doch er konnte ihr nicht zuwinken.
Dann traf ihn die erste Windböe, und er konzentrierte sich auf den Abstieg.
Der Wind, der vom Meer wehte, war erstaunlich kühl, und seine zerrissene Radkleidung bot ihm kaum Schutz. Das speziell angefertigte Seil zischte durch die Abstiegssicherung, während er sich immer wieder mit den Füßen vom Felsen abstieß. Bald schon erinnerten sich seine Muskeln an die Bewegungsabläufe. Lucy protestierte, als der Wind und das helle Licht sie trafen. Sie wirkte, als wollte sie jeden Moment wieder weinen.
»Jenks?«, rief Trent. Seine Arme und Beine schmerzten. »Wie weit ist es nach unten?«
Der Pixie schoss von irgendwo heran. Das fröhliche Brummen seiner Flügel zog wie ein Magnet Lucys Aufmerksamkeit auf sich. Sofort verstummte ihr leises Wimmern. »Du hast ungefähr ein Drittel der Strecke hinter dir«, sagte der Pixie. Er stieg auf und fiel wieder, während er mit summenden Flügeln versuchte, in der steifen Brise an einer Stelle zu schweben.
Trent runzelte die Stirn. Er hatte darum gebeten, das Seil genauso lang zu machen wie die Klippe hoch war, doch bei kalten Temperaturen zog es sich ein wenig zusammen.
Plötzlich schossen Steinsplitter um Trent herum durch die Luft. Er hielt eine Hand am Seil, während er die andere schützend auf Lucys
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