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Blutseele

Blutseele

Titel: Blutseele Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kim Harrison
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Zwischen Robbie und mir stand ein Mann – ein kleiner Mann – im Schnee, barfuß und mit lockigem schwarzem Haar, einem kleinen Bart, breiten Schultern … und splitterfasernackt. »Du bist nicht mein Dad«, sagte ich und fühlte, dass mein Herz viel zu schnell schlug.
    »Ein guter Grund, zu den Engeln zu singen, oder?«, sagte er. Er zitterte heftig und bemühte sich, sich mit den Händen zu bedecken. Und dann schrie eine Frau.

4

    »Flitzer!«, schrie die Frau und zeigte mit einem dick eingepackten Arm auf unseren Geist.
    Köpfe drehten sich, und ich bekam Panik. Mehrere Leute keuchten auf, andere johlten. Robbie sprang neben mir auf den Pflanzenkübel und riss sich den Mantel von den Schultern.
    »Mein Gott, Rachel!«, sagte er, und das funkelnde Licht des Schutzkreises beleuchtete sein schockiertes Gesicht. »Es hat funktioniert!«
    Der kleine Mann kauerte sich zusammen und zuckte, als in der Ferne etwas knallte. Am Fluss zündeten sie Feuerwerkskörper, und die Menge ahhte und oohte, als hinter einem der Gebäude ein Pilz aus Rot und Gold auftauchte. Der Mann hatte offensichtlich Angst und starrte verloren und vollkommen verwirrt auf das Glitzern am Himmel.
    »Hier, zieh das an«, sagte Robbie. Er wirkte seltsam nur mit der Mütze, dem Schal und den Handschuhen. Der Mann zuckte wieder zusammen und starrte ihn verständnislos an, als Robbie ihm den Mantel um die Schultern legte.
    Immer noch schweigend wandte der Mann mir den Rücken zu, schob seine Arme in die Ärmel und schloss mit erleichterter Hast den Mantel. Die nächste Rakete stieg auf, und er sah mit hängendem Kiefer hoch, als das grüne Leuchten auf den umliegenden Häusern schimmerte.
    Robbie trug eine besorgte Miene zur Schau. »Mist, Mist, Mist«, murmelte er. »Ich hätte das nie tun dürfen. Rachel, kannst du nicht ab und zu mal bei einem Zauber versagen?«
    Mein Herz rutschte mir in die Hose, und ich konnte nicht atmen. Unsere Wette. Verdammt. Das war nicht Dad. Ich hatte etwas falsch gemacht. Der Mann, der barfuß und gebeugt im Mantel meines Bruders vor mir stand, war nicht mein Dad.
    »Ich hatte angenommen, die Hölle wäre heiß …«, meinte er zitternd. »Hier ist es k-kalt.«
    »Es hat nicht funktioniert«, flüsterte ich, und er richtete seine leuchtend blauen Augen auf mich. Er sah aus wie ein verschrecktes Tier. Mir stockte der Atem. Er hatte Angst und fühlte sich verloren. Der nächste dumpfe Knall sorgte dafür, dass er den Blickkontakt abbrach, um in den schneeverhangenen Himmel zu starren.
    In der Nähe kreischte jemand: »Der da, das ist er. Genau da.«
    Ich wirbelte herum und entdeckte die Frau, die vorher geschrien hatte. Sie hatte die Security bei sich, und sie schauten in unsere Richtung.
    »Das ist ein Skandal für alle anständigen Leute!«, verkündete sie laut.
    Ich suchte den Blick meines Bruders. Dreck. Was jetzt?
    Robbie sprang von dem Pflanzenkübel. »Wir müssen hier weg.«
    Der kleine Mann musterte die Menge, und Verwunderung verdrängte seine Angst. Zu meinen Füßen packte Robbie den Steintiegel meiner Mom und stopfte ihn sich in die Hosentasche. »Tut uns leid!«, verkündete er mit aufgesetzter Fröhlichkeit. »Cousin Bob. Was für ein Trottel. Es war eine Wette. Ha, ha! Du hast gewonnen, Bob. Das Abendessen geht auf mich.«
    Ich stieg von dem Kübel, aber der Mann – oder der Geist – starrte zu den Gebäuden auf. »Diese furchterregende Katastrophe ist nicht die Hölle«, flüsterte er, dann richtete er seinen Blick auf mich. »Du bist kein Dämon.«
    Er hatte einen starken Akzent, wie in einer Fernsehsendung, und ich fragte mich, wie lange dieser Kerl wohl tot gewesen war.
    Robbie streckte den Arm aus, packte sein Handgelenk und zog daran. »Es wird gleich die Hölle los sein, wenn wir nicht verschwinden! Komm schon!«
    Der Mann sprang unsicher nach unten. Zusammen stolperten wir nach hinten und gegen eine Gruppe von Leuten mit schweren Wintermänteln und roten Gesichtern. »’tschuldigung!«, rief Robbie, als wir in einem verwirrten Knoten schwankten, weil er sich weigerte, mich loszulassen.
    Ich kniff die Augen zusammen, als mir der Wind Schnee ins Gesicht blies. »Was habe ich falsch gemacht?«, fragte ich. Ich war zu klein, um erkennen zu können, wo wir hingingen. Über uns zischten immer noch Raketen, und die Leute auf dem Platz hatten angefangen zu singen.
    »Ich, ich, ich«, motzte Robbie, während er den Geist vor uns herschob. »Warum geht es immer um dich, Rachel? Kannst du dich

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