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Blutseele

Blutseele

Titel: Blutseele Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kim Harrison
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einfach da und bildete eine lebende Barriere. Einer entdeckte mich, und schnell setzte ich mich wieder. Man durfte sich nicht auf die Pflanzenkübel stellen.
    »Ein Flugblatt?«, fragte ein Mann, und seine Stimme klang, als hätte er das schon sehr oft gefragt. Er war der Einzige, der dem Kreis den Rücken zugewandt hatte, als er sich durch die Menge schob. Ich hatte meine »Nein, danke«-Ansprache schon vorbereitet, bevor er mich überhaupt erreicht hatte. Aber dann entdeckte ich den »Haben Sie mich gesehen?«-Anstecker an seiner Jacke und änderte meine Meinung. Ich würde ein dämliches Flugblatt nehmen.
    »Danke«, sagte ich und hielt ihm meine behandschuhte Hand entgegen, noch bevor er fragen konnte.
    »Gott segne Sie«, sagte er leise. Das von Schnee feuchte Papier fühlte sich in meiner Hand eher an wie Stoff.
    Er wandte sich ab, wie betäubt von dem Grund für seine verzweifelte Suche. »Ein Flugblatt?«, fragte er wieder und schob sich langsam weiter.
    Deprimiert starrte ich auf das Bild. Das verschwundene Mädchen war hübsch, und seine glatten Haare hingen ihm bis über die Schultern. Sarah Martin. Menschlich. Elf Jahre alt. Trug Jeans und einen pinkfarbenen Mantel, als sie zuletzt gesehen wurde. Hatte vielleicht ein Paar weiße Schlittschuhe dabei. Blonde Haare, blaue Augen.
    Ich stopfte das Flugblatt in meine Manteltasche und atmete tief durch. Hübsch zu sein sollte einen nicht zum Angriffsziel machen. Wenn sie sie heute Nacht nicht fanden, war sie wahrscheinlich nicht mehr am Leben, wenn sie doch wieder auftauchte. Ich war nicht die Einzige, die die Macht der Sonnenwende dafür einsetzte, starke Magie zu wirken. Bei dem Gedanken wurde mir schlecht.
    Eine vertraute Gestalt erregte meine Aufmerksamkeit, und ich lächelte Robbie an. Er bewegte sich zögerlich und ruckartig durch die Menge, weil er versuchte, den Leuten auszuweichen, um unsere heißen Getränke nicht zu ver schütten. Außer dem neuen Mantel besaß er jetzt auch eine dicke Wollmütze, einen Schal und ein Paar Handschuhe, das meine Mom ihm zur Sonnenwende gestrickt hatte. Aber er trug immer noch seine dünnen Turnschuhe, und sein Gesicht war von der Kälte gerötet.
    »Danke«, sagte ich, als Robbie vor mir stehen blieb und mir einen Pappbecher reichte.
    »Guter Gott, ist es kalt hier draußen«, meinte er, stellte seinen Becher neben mir auf den Kübel und schob sich die Hände unter die Achselhöhlen.
    Ich rutschte näher an ihn heran, weil irgendjemand mich anrempelte. »Du warst zu lange weg, Weichei.«
    »Rotzgöre.«
    Ein Mann in einer orangefarbenen Security-Weste ging an uns vorbei. Vor ihm öffnete sich wie durch Magie ein Weg. Ich beschäftigte mich mit meinem Becher und sah ihn nicht an, als die warme Milch-Schokoladen-Mischung durch meine Kehle rann. Die Flasche mit dem Trank schien in meiner Tasche zu glühen. »Ich hatte völlig vergessen, dass es illegal ist, das Kollektiv anzuzapfen«, flüsterte ich.
    Robbie lachte auf, nahm den Deckel von seinem Becher und beobachtete mich mit seinen im Licht der Scheinwerfer hell leuchtenden grünen Augen. »Willst du nach Hause gehen?«, stichelte er. »Und gleich mit mir nach Portland kommen? Da ist es auf jeden Fall wärmer.«
    Er brachte mich in Schwierigkeiten, aber dafür war er ja da. Gewöhnlich holte er mich auch wieder raus. Gewöhnlich. »Ich will mit Dad sprechen«, sagte ich und bewegte meine Zehen, um zu testen, wie kalt sie waren.
    »Also gut.« Er nippte an seinem Getränk und drehte sich, um mich vor einer Windböe voller Schneeflocken zu schützen, die die Menge aufstöhnen ließ. »Bist du bereit?«
    Ich beäugte ihn überrascht. »Ich dachte, wir suchen uns eine kleine Nebengasse oder so was.«
    »Je näher, desto besser. Je mehr Energie du aufnehmen kannst, desto länger wird die Magie halten.«
    Das stimmte, aber trotzdem gab ich ein ungläubiges Geräusch von mir. »Du glaubst wirklich, dass es niemand bemerken wird, wenn ein Geist Gestalt annimmt?« Plötzlich wurde mir klar, dass ich einen weißen Zauber in einem verbotenen Bereich wirkte, um in die I.S. zu kommen. Das machte sich sicher toll in meinem Bewerbungsschreiben.
    Robbie blickte über die anderen Leute hinweg zum nahe gelegenen Schutzkreis. »Ich glaube, es wird schon laufen. Er wird keinen echten Körper haben. Wenn du es überhaupt richtig machst«, fügte er spöttisch hinzu.
    »Halt den Mund«, antwortete ich trocken und hätte ihn geschubst, wenn er nicht den Becher in der Hand gehabt

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