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Blutseele

Blutseele

Titel: Blutseele Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kim Harrison
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Studiengang über Bäume?«, fragte sie mit leuchtenden Augen, während ein wissendes Lächeln um ihre Lippen spielte. »Hast du das gehört, Diana? Er ist zur Schule gegangen, um alles über Bäume zu lernen. Dann also bis morgen. Diana wird Tee mitbringen, ich werde den Baum mitbringen, und du« – sie warf ihm ein hinterhältiges Lächeln zu, und ihre kornblumenblauen Augen leuchteten – »wirst den Wein mitbringen. Zwei Flaschen. Einheimischen. Stell sicher, dass es ein einheimischer Wein ist.«
    Verwirrt sah Will zwischen den zwei Frauen hin und her. Ms. Temson schien erfreut, aber Diana wirkte verängstigt. Vielleicht wollten sie ihn in den Wald verschleppen, um ihm dann den Hinterkopf mit einer Schaufel zu spalten. »Wein, Ms. Temson?«, fragte er.
    »Ich werde dir die ältesten Baumgruppen, die dichtesten Bestände zeigen«, erklärte die Frau in einem seltsamen Singsang.
    Wills Neugier war endgültig geweckt, als Diana noch bleicher wurde. »Das würde mir sehr gefallen«, hörte er sich selbst sagen. Die alte Frau nahm seine Hand und drückte sie mütterlich.
    »Schön«, sagte sie. »Zwei Uhr. Schönen Tag, William.« Sie nickte ihm einmal zu, dann rauschte sie den breiten Bürgersteig entlang zu einer Gasse, in der ein uralter Rolls-Royce im Schatten stand. Diana folgte ihr vornübergebeugt und besorgt.
    »Das geht nicht, mein Lieber. In denen kommst du nicht mal über die Wiese.«
    Will, der an der Steinmauer stand, die den gepflegten Garten von der Wildnis trennte, sah verlegen auf die polier ten Lederschuhe hinunter, die unter seinen Jeans herausschauten. Seine Stiefel standen über zweitausend Kilo meter entfernt auf seiner hinteren Veranda, wo er sie zum Trocknen hingestellt hatte. Er hasste es zu fliegen, hasste das feuchte Wetter, mit dem dieses Land geschlagen war, und er hasste die vergessene Familiengeschichte, die dafür sorgte, dass anderer Leute Probleme zu seinen wurden. Doch die Chance, durch den uralten Wald zu laufen, von dem er schon als Junge von seinem Vater gehört hatte, war stärker als die Angst, dass die zwei Frauen ihn totschlagen und vergraben wollten – selbst wenn dort neben einem schmalen Buchensteckling, dessen Wurzelstock sorgfältig in Sackleinen eingewickelt war, tatsächlich eine Schaufel lehnte.
    Er trat unruhig von einem Fuß auf den anderen, als Ms. Temson ihre Augen über sein ausgewaschenes Flanellhemd und den abgenutzten Rucksack gleiten ließ. Sie nickte, als würde ihr der heruntergekommene Zustand seiner Ausrüstung gefallen. Vor Überraschung blinzelnd stellte Will fest, dass die alte Frau ihn nach unten zog, um die rote Kappe zurechtzurücken, die er sich in einem Souvenirladen gekauft hatte. »Oh«, murmelte sie, während die schwache Sonne sich auf ihrem breitkrempigen Hut spiegelte. »Die wird ihnen gefallen.«
    »Ihnen? Wem ihnen?«
    »Den Dryaden, mein Lieber. Den Dryaden.«
    Will erstarrte, doch dann riss ihn das Knirschen von Schritten auf dem Kiesweg aus seiner Verwirrung. Langsam richtete er sich auf. Diana näherte sich aus der Richtung eines nahe gelegenen Herrenhauses. Das schicke Kostüm war durch Jeans, schwere Stiefel und einen abgetragenen grünen Pulli ersetzt worden. Sie trug ihre Haare zum Pferdeschwanz zurückgebunden. Will fand, dass sie so besser aussah, selbst wenn tiefe Sorge in ihrem Blick lag.
    »Diana?« Ms. Temsons dünne Stimme, die ein wenig klang wie das Summen von Bienen, durchdrang den schwachen Sonnenschein. »Sei so lieb und zeig William die Ställe. Ich glaube, dort steht noch ein Paar Stiefel von Arthur. Wir werden keine Dryaden sehen, wenn er sich den Knöchel verstaucht.«
    »Ja, Grandma.«
    Dryaden?, dachte er. Der Anwalt hatte recht gehabt. Die alte Frau war nicht mehr ganz bei Trost.
    Mit einem Blick forderte die alte Dame Will heraus, etwas zu sagen, während Diana ihren Rucksack neben der Mauer abstellte und ihm streitlustig bedeutete, sich ihr anzuschlie ßen. Die leeren Ställe lagen ein gutes Stück entfernt, und Diana schien entschlossen, ihn den gesamten Weg über zu ignorieren.
    »Du siehst nicht im Geringsten aus wie deine Großmutter«, sagte er in dem Versuch, das Schweigen so harmlos wie möglich zu brechen.
    »Sie ist nicht meine Großmutter. Ich nenne sie nur so.«
    Okay, dachte er. Es war eine kalte, steife Antwort, aber ein Anfang. »Das alles war nicht meine Idee.«
    »Den Wald abzuholzen schon.«
    Wütend. Sie war wieder wütend – aber sie hatte keine Angst. »Ich werde ihn nicht vollkommen

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