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Blutseele

Blutseele

Titel: Blutseele Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kim Harrison
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abholzen lassen«, sagte er. »Mein Gott, du musst mich für einen absoluten Barbaren halten.«
    »In der Tat.«
    Will bewunderte ihre Loyalität gegenüber Ms. Temson, aber das ergab doch alles keinen Sinn. »Sie hat nur gescherzt, oder?«
    Diana bog scharf Richtung Scheune ab. Will zog die Augenbrauen hoch, als er ihre plötzliche, wenn auch gut versteckte Besorgnis bemerkte. »Über was?«
    Nachdem er das Gefühl hatte, langsam dem Kern der Sache näher zu kommen, beschleunigte Will seine Schritte, um an ihrer Seite zu bleiben. Vor ihnen erhob sich der dunkle Umriss der Scheune. »Die Dryaden.«
    Diana biss die Zähne zusammen und wurde rot. Sie griff nach einem abgegriffenen Seil und zog daran, bis das riesige Scheunentor in majestätischer Stille aufschwang. Sofort ergoss sich der Geruch nach altem Heu und Schimmel aus der Öffnung. Ohne zu zögern verschwand Diana in der Dunkelheit. Will wollte ihr folgen und sprang zurück, als Diana ihn auf ihrem Weg nach draußen fast gerammt hätte. Sie hielt ein abgetragenes Paar Lederstiefel in der Hand, alt, aber durchaus noch brauchbar. Die Frau drückte ihm die Stiefel so heftig in die Hand, dass Will vermutete, sie hätte sie ihm viel lieber über den Schädel geschlagen.
    Er packte die Schuhe aus einem Instinkt heraus, dann musterte er schweigend ihre zusammengepressten Lippen und ihren ausweichenden Blick. »Du glaubst ebenfalls, dass Dryaden in diesem Wald leben, oder?«
    Diana schob das Kinn vor und sah ihm endlich in die Augen. Ihre Augen sind blau, dachte er. Ihm gefiel, wie mühe los die Frau ihren Stil von perfekt gestylt zu athletisch tüchtig wechseln konnte.
    »Ich glaube nur an eines, was ich nicht sehen kann, und das ist Gott«, antwortete Diana, während sie auf einen umgedrehten Eimer neben der Tür zeigte. »Lass mich eine Sache vollkommen klarstellen. Es war nicht meine Idee, dich hierher einzuladen, und je eher du verschwindest, desto glücklicher bin ich. Kapiert?«
    Will setzte sich mit dem Gefühl, wenigstens einen kleinen Sieg errungen zu haben. »Ms. Temson möchte mich hier haben«, sagte er. Diana verschränkte die Arme vor der Brust und wandte sich vor Wut kochend ab. Ich will verdammt sein, wenn ich nicht anfange, sie zu mögen, dachte er, während er die Stiefel anzog. Das Leder lag in der Schwüle kühl um seine Zehen. Erst als er aufstand und von einem Fuß auf den anderen trat, um zu testen, ob die Schuhe passten, wurde ihm bewusst, dass Diana ihm nicht geantwortet hatte.
    Will ließ seine feinen Lederschuhe auf dem Eimer stehen und folgte der kampfeslustigen Diana zurück zum Tor, wo Ms. Temson ihn begeistert umarmte, als sie erfuhr, dass er dieselbe Schuhgröße hatte wie sein Großvater. Das weite Feld jenseits der Mauer, das am Waldrand endete, war wahrscheinlich einst eine gepflegte, von Schafen oder Rasenmähern kurzgehaltene Rasenfläche gewesen. Inzwi schen war das kniehohe Gras gelblich braun verfärbt. Diana kochte vor sich hin, während Ms. Temson fröhlich plapperte. Die schlechte Laune der jungen Frau blieb allerdings nicht unbemerkt. Es war offensichtlich, dass Ms. Temson der Honig in dieser Beziehung war, während Diana den Essig lieferte. Doch Wills Neugier hielt ihn hier fest. Dryaden?
    Will stopfte den Buchensetzling und die erstaunlich moderne Schaufel in seinen Rucksack und verdiente sich damit einen Kuss auf die Wange. Als sie die feuchte Weide überquerten, blieb ihm die Mühe erspart, Konversation zu betreiben. Ms. Temson plapperte ohne Unterlass vor sich hin, wobei sie alles von der aktuellen Weltpolitik bis zum Lebenszyklus der Schafszecke abhandelte. Sie war die klügste Wahnsinnige, die Will je getroffen hatte.
    Doch sobald sie unter die Bäume traten, verstummte die alte Dame. Diana und sie blieben stehen und lauschten, dann wandten sie sich gleichzeitig nach Osten. Will lief ein Schauder über den Rücken, ohne zu wissen, warum. Ms. Temson packte für einen kurzen Moment seinen Arm und grub ihm Finger in das Fleisch, die sich anfühlten wie Stahlbänder. »Hier entlang.«
    Schweigend gingen sie durch die Wälder. Zum ersten Mal in seinem Leben fühlte sich Will unter Bäumen unbehaglich. Ms. Temsons vornübergebeugte Haltung, die sie im Sonnenlicht alt wirken ließ, kam ihr im Wald zugute. Sie glitt mit der Sicherheit einer Tänzerin um Baumstümpfe und umgestürzte Stämme. Es gab keinen Pfad über die gefallenen Blätter des letzten Jahres, aber trotzdem war Will davon überzeugt, dass die zwei Frauen genau

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