Blutseele
wenig übertrieben, aber sie war ein vorsichtiges Mädchen.
Es war unwahrscheinlich, dass man die Spuren der Frau hierherverfolgen würde, aber es ging auch nicht so sehr darum, ihre Gegenwart vor schnüffelnden I. S.- oder FIB- Agenten zu verstecken als vielmehr darum zu vermeiden, dass das Restaurant nach anderem Blut als dem von ihr und Kisten roch. Das würde zu Fragen führen, ob gegen die Auflagen für die Lizenz für gemischtes Publikum – oder LGP – verstoßen worden war. Ivy nahm nicht an, dass es gut ankommen würde zu sagen, dass im Restaurant niemand getötet worden war, sondern nur Piscary in seiner Privatwohnung jemanden ausgesaugt hatte und man sich deswe gen keine Sorgen um die LGP-Bestimmungen machen musste. Nach dem Ärger, den Piscary gehabt hatte, bis seine LGP neu erteilt wurde, nachdem irgendein dämlicher Tiermensch auf Brimstone eine blutende Wunde verursacht hatte, ging Ivy davon aus, dass er lieber nach einem Gerichtsverfahren in den Knast wandern würde, als seine LGP noch mal zu verlieren. Aber hauptsächlich machte Ivy so gründlich sauber, weil sie nicht wollte, dass ihre Wohnung nach irgendwem anders roch als ihr und Kisten.
Ihre Gedanken ließen ihren Blick wieder zu ihm wandern. Er sah nett aus, wie er da über den Eimer gebeugt stand und sein Pony feucht wurde, weil das Wasser hochspritzte.
Er war sich ihrer Musterung offensichtlich nicht bewusst und drehte das Wasser ab. »Ich bin so ein Esel«, sagte er, den Blick auf den Eimer gerichtet.
»Das mag ich an dir«, erwiderte sie und machte sich Sor gen, dass er sich jetzt unzulänglich fühlte, weil sie die Sache an sich gerissen hatte.
»Bin ich wirklich.« Er sah nicht auf, und seine Hände umklammerten den Rand des Plastikeimers. »Ich bin erstarrt. Ich habe mir solche Sorgen darum gemacht, was du sagen würdest, wenn du nach Hause kommst und mich mit einem toten Mädchen findest, dass ich nicht mehr denken konnte.«
Sie nahm seine Worte als Kompliment, lächelte und suchte in einer Schublade nach einem neuen Mob. »Ich wusste, dass du sie nicht umgebracht hast. Piscary war überall an ihr.«
»Verdammt noch mal, Ivy!«, rief Kisten und schlug mit der Hand nach dem Wasserhahn. Metall krachte. »Ich sollte bes ser sein! Ich bin sein verdammter Nachkomme!«
Ivy ließ die Schultern hängen. Sie schloss die Schublade, ging zu ihm und legte ihm die Hände auf die Schultern. Sie waren angespannt, und er reagierte nicht auf ihre Berüh rung. Sie drückte sich an ihn und legte ihre Wange an seinen Rücken, wobei sie Reste seiner Angst riechen konnte und das Blut der Frau. Tod und Blut turnten einen Vampir nicht an. Angst und die Chance, Blut zu nehmen, sehr wohl. Es gab einen Unterschied.
Sie schob ihre Hände nach vorne auf seinen Bauch, zwischen den Knöpfen hindurch zu seinen Muskeln. Erst jetzt senkte Kisten den Kopf und entspannte sich ein wenig. Ihre Zähne waren nur Zentimeter von einer alten Narbe entfernt, die sie ihm verpasst hatte. Der berauschende Geruch ihrer vermischten Körperdüfte traf sie, und sie schluckte schwer. Die größte Verlockung überhaupt. Sie drückte sich fest an ihn, während sie tief durchatmete, absichtlich sei nen Duft in sich aufsog, bis sexuelle Erregung in ihr aufstieg. »Mach dir keine Sorgen«, sagte sie mit leiser Stimme.
»Du wärst ein besserer Nachkomme als ich«, meinte er bitter. »Warum hat er mich gewählt?«
Sie ging nicht davon aus, dass es wirklich darum ging, wer Piscarys Nachkomme war. Es war nur sein Stress, der nach einem Ventil suchte. Sie gab dem Impuls nach und hob sich auf die Zehenspitzen, um sein Ohr zu erreichen. »Weil du mit Leuten umgehen kannst und ich nicht«, sagte sie. »Weil du besser darin bist, mit ihnen zu reden, sie dazu zu kriegen, das zu tun, was du von ihnen willst und sie gleichzeitig denken zu lassen, es wäre ihre Idee gewesen. Ich mache den Leuten nur Angst.«
Er drehte sich langsam um, sodass er in ihren Armen blieb. »Ich führe eine Kneipe«, sagte er mit gesenktem Blick. »Du arbeitest für die I.S. Sag mir, was wertvoller ist.«
Ivys Arme glitten zu seiner Hüfte, und sie drückte ihn gegen die Spüle. »Ich möchte mich für die Lieferanten-Scheiße entschuldigen«, sagte sie ernst. »Du führst keine Kneipe, du lernst Cincinnati. Du lernst, was wen antreibt, und wer was für wen tun würde. Ich?« Ihre Augen wanderten zu dem kleinen Haarbüschel, das über den V-Ausschnitt seines T-Shirts ragte. »Ich lerne, wie man Ärsche leckt und
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